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Das sündige Viertel

Das sündige Viertel

Titel: Das sündige Viertel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kuprin
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ihrer linken Hand lagen auf dem roten Samt der Loge. An ihnen saßen Smaragde von seltener Schönheit, so nachlässig hingetupft, als würden sie gleich abfallen. Auf einmal lachte sie.
    »Sehen Sie nur«, sagte sie, »was für eine drollige Figur, oder besser gesagt, was für ein drolliger Beruf. Dort, den meine ich, der auf den sieben Pfeifenrohren spielt.«
    Alle schauten in die Richtung, die ihre Hand wies. Und wirklich, dort bot sich ein recht komischer Anblick. Hinter dem rumänischen Orchester saß ein dicker schnurrbärtiger Mann, wahrscheinlich Vater oder vielleicht sogar Großvater einer vielköpfigen Familie, und blies aus Leibeskräften sieben aneinandergeklebte Holzflöten. Da es ihm offenbar schwerfiel, dieses Instrument zwischen den Lippen hin- und herzuschieben, wandte er den Kopf außerordentlich flink nach links und nach rechts.
    »Eine erstaunliche Beschäftigung«, sagte die Rowinskaja. »Nun, Tschaplinski, versuchen Sie doch einmal, so mit dem Kopf zu wackeln.«
    Wolodja Tschaplinski, der heimlich und hoffnungslos in die Künstlerin verliebt war, versuchte es sogleich gehorsam und eifrig, doch eine halbe Minute später gab er es auf.
    »Unmöglich«, sagte er. »Dazu braucht man entweder langes Training oder vielleicht ererbte Fähigkeiten. Mir wird schwindlig davon.«
    Die Baronesse hatte unterdessen von ihrer Rose die Blütenblätter abgezupft und ins Weinglas geworfen, nun unterdrückte sie mühsam ein Gähnen und sagte, ein wenig das Gesicht verziehend: »Mein Gott, wie langweilig amüsiert man sich bei Ihnen in K.! Sehen Sie: kein Lachen, kein Gesang, kein Tanz. Wie eine Herde, die zusammengetrieben worden ist, um sich auf Befehl zu amüsieren!«
    Rjasanow griff träge zum Glas, nippte daran und entgegnete mit seiner bezaubernden Stimme gleichmütig: »Ja, ist es denn bei Ihnen, in Paris oder in Nizza, amüsanter? Man muß doch zugeben: Frohsinn, Jugend und Lachen sind für immer aus dem menschlichen Leben verschwunden, und sie werden kaum je zurückkehren. Mir scheint, man muß toleranter sein. Wer weiß, vielleicht bedeutet für alle, die hier unten sitzen, der heutige Abend wirklich Erholung und Festlichkeit?«
    »Verteidigungsplädoyer«, warf Tschaplinski in seiner ruhigen Art ein.
    Doch die Rowinskaja wandte sich rasch den Herren zu, und ihre länglichen smaragdgrünen Augen verengten sich. Das war bei ihr ein Vorzeichen von Zorn, der manchmal auch gekrönte Häupter zu Dummheiten verleitet. Übrigens beherrschte sie sich sofort wieder und sagte matt: »Ich verstehe nicht, wovon Sie reden. Ich verstehe nicht einmal, wozu wir hierhergekommen sind. Es gibt doch jetzt auf der ganzen Welt nichts Interessantes. Ich habe beispielsweise Stierkämpfe gesehen, in Sevilla, Madrid und Marseille – ein Schauspiel, das nichts als Widerwillen hervorruft. Ich habe auch Box- und Ringkämpfe gesehen – ekelhaft und grob. Sogar an einer Tigerjagd mußte ich einmal teilnehmen, da saß ich unterm Baldachin auf einem großen, klugen weißen Elefanten … ach, Sie kennen das ja alles selbst. Und von meinem ganzen bunten und lauten Leben, das mich altern ließ …«
    »Oh, bitte, Jelena Viktorowna!« sagte Tschaplinski mit sanftem Vorwurf.
    »Sparen Sie sich Ihre Komplimente, Wolodja! Ich weiß, daß mein Körper noch jung und schön ist, aber trotzdem, manchmal kommt es mir vor, als wäre ich neunzig. So verbraucht ist meine Seele. Lassen Sie mich fortfahren. Ich will sagen, daß sich mir in meinem ganzen Leben nur drei starke Eindrücke ins Herz geprägt haben. Der erste – das war, als ich, noch als kleines Mädchen, einmal sah, wie eine Katze einem Sperling auflauerte, und ich verfolgte voller Angst und Interesse ihre Bewegungen und den aufmerksamen Blick des Vogels. Bis heute weiß ich nicht, womit ich mehr sympathisierte: mit der Geschicklichkeit der Katze oder mit der Behendigkeit des Sperlings. Jedenfalls war der Sperling flinker. Im Nu war er auf einen Baum geflogen und überschüttete die Katze von dort aus mit solch einem Spatzengezeter, daß ich vor Scham errötet wäre, wenn ich nur ein einziges Wort verstanden hätte. Und die Katze ringelte beleidigt den Schwanz in die Höhe und gab sich Mühe, vor sich selbst so zu tun, als sei nichts Besonderes vorgefallen. Ein andermal mußte ich in einer Oper ein Duett mit einem großen Künstler zusammen singen …«
    »Mit wem?« fragte die Baronesse schnell.
    »Ist das nicht gleichgültig? Wozu Namen? Also ja, als ich mit ihm zusammen sang, fühlte

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