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Das sündige Viertel

Das sündige Viertel

Titel: Das sündige Viertel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kuprin
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sogleich seines Kleinmuts, und so stieg er, nach zaghaftem Anfang, zum Schluß wieder aufs hohe Roß und markierte den Helden.
    »Weißt du, Fürst«, sagte er, verlegen an einem Jackenknopf seines Freundes drehend und dessen Blick ausweichend, »du irrst dich. Das ist durchaus kein Kommilitone im Rock, sondern … also, ich war mit ein paar Kollegen, ich war … das heißt, wir sind auf einen Sprung im Viertel eingekehrt, bei Anna Markowna.«
    »Mit wem?« fragte Nisheradse interessiert.
    »Ach, kann dir das nicht egal sein, Fürst? Tolpygin war mit, Ramses, ein Privatdozent – ein gewisser Jartschenko, Borja Sobaschnikow und noch einige … ich weiß nicht mehr. Wir sind den ganzen Abend Boot gefahren, dann in eine Kneipe gegangen und anschließend eben ins Viertel . Du weißt, ich bin ein sehr zurückhaltender Mensch. Ich habe nur dagesessen und mich mit Kognak vollgesaugt wie ein Schwamm, zusammen mit einem bekannten Reporter. Na ja, die übrigen sind alle um einen Sündenfall nicht rumgekommen. Und gegen Morgen wurde ich auf einmal schwach. Es hat mir so leid getan, diese unglücklichen Frauen zu sehen. Ich mußte auch daran denken, daß unsere Schwestern immer unsere Aufmerksamkeit und Liebe und unseren Schutz genießen, daß wir unsere Mütter mit Ehrfurcht umgeben. Wenn einer wagen sollte, ihnen ein grobes Wort zu sagen, sie zu beleidigen – wir würden doch jedem an die Kehle gehen! Stimmt's?«
    »Hm?« brummte der Georgier halb fragend, halb abwartend und blickte zur Seite.
    »Siehst du, und da hab ich mir gedacht: Und diese Frauen kann jeder Hergelaufene, jedes Jüngelchen und jeder klapprige Greis sich für einen Augenblick oder für eine Nacht aus einer momentanen Laune heraus nehmen und kann gleichmütig zum soundsovielten Mal in ihnen das besudeln, was das Kostbarste im Menschen ist – die Liebe … Verstehst du, er kann sie schänden, mit Füßen treten, und dann bezahlt er und geht seelenruhig fort, die Hände in den Hosentaschen, und pfeift sich eins. Und am grauenvollsten ist, daß ihnen das alles schon zur Gewohnheit wurde: ihr ist es egal, und ihm ist es egal. Die Gefühle sind abgestumpft, die Seele ist erloschen. So ist es doch? Und dabei: mit jeder dieser Frauen kommt eine herrliche Schwester und eine heilige Mutter um. Nicht wahr? Stimmt's?«
    »Nun ja …«, knurrte Nisheradse und blickte abermals zur Seite.
    »Und da hab ich mir gedacht: Was nützen Worte und tönende Phrasen? Zum Teufel mit den heuchlerischen Reden auf Versammlungen. Zum Teufel mit Abolitionismus, Reglementierung« (unwillkürlich fielen ihm auf einmal die Worte des Journalisten ein) »und mit dem Verteilen von heiligen Büchern in den Etablissements, zum Teufel mit Magdalenen-Asylen! Ich, hab ich mir gedacht, ich werde handeln wie ein echter Ehrenmann, ich entreiße dem Sumpf ein Mädchen, gebe ihr festen Grund unter den Füßen, lasse sie zur Ruhe kommen, mache ihr Mut, bin gut zu ihr.«
    »Hm!« krächzte Nisheradse schmunzelnd.
    »Ach, Fürst! Immer hast du Schlüpfriges im Sinn. Du weißt doch, daß ich nicht von der Frau rede, sondern vom Menschen, nicht vom Fleisch, sondern von der Seele.«
    »Gut, gut, mein Bester, sprich weiter!«
    »Weiter gibt es nur noch zu sagen, daß ich tat, was ich mir vorgenommen hatte. Ich habe sie heute bei Anna Markowna rausgeholt und vorerst hierher zu mir gebracht. Was später wird, steht in den Sternen. Zuerst lehre ich sie lesen und schreiben, dann richte ich ihr eine kleine Speisewirtschaft oder, sagen wir, ein Lebensmittelgeschäft ein. Ich denke, die Freunde werden mir ihre Hilfe nicht versagen. Das Menschenherz, Bruder, Fürst, jedes Herz braucht Wärme. Und stell dir vor: Nach ein oder zwei Jahren gebe ich der Gesellschaft ein wertvolles arbeitendes Mitglied zurück, mit jungfräulicher Seele, die für alle großen Möglichkeiten offen ist. Denn sie hat ja nur ihren Körper hingegeben, ihre Seele ist rein und unschuldig.«
    Der Fürst schnalzte mit der Zunge.
    »Was soll das heißen, du Esel aus Tbilissi?«
    »Und kaufst du ihr eine Nähmaschine?«
    »Warum gerade eine Nähmaschine? Ich verstehe nicht.«
    »So ist es immer in Romanen, mein Freund. Kaum hat der Held ein armes, aber verkommenes Wesen gerettet, schon schafft er für sie eine Nähmaschine an.«
    »Hör auf, Unsinn zu reden«, winkte Lichonin ärgerlich ab. »Quatschkopf!«
    Der Georgier ereiferte sich auf einmal, seine schwarzen Augen blitzten, und er verfiel sofort in kaukasischen Akzent: »Nein, kein Unsinn,

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