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Das sündige Viertel

Das sündige Viertel

Titel: Das sündige Viertel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kuprin
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der Gefährten um. Dann legte er die Hände auf den Tisch und begann: »Ich kenne euch alle, Herrschaften, als gute, vertraute Freunde.« Mit einem raschen Seitenblick streifte er Simanowski. »Und als hilfsbereite Menschen. Ich bitte euch von Herzen, mir zu helfen. Ich habe die Sache überstürzt angefangen – das muß ich zugeben –, aber dennoch aus reinem, ehrlichem Herzensantrieb.«
    »Und das ist die Hauptsache«, warf Solowjow ein.
    »Es ist mir absolut einerlei, was Bekannte und Unbekannte über mich reden werden, aber meine Absicht, dieses Mädchen zu retten – entschuldigt das blöde Wort, das ist mir so rausgerutscht –, zu ermutigen und zu unterstützen also, diese Absicht gebe ich nicht auf. Freilich bin ich imstande, ihr ein billiges Zimmer zu mieten und ihr die erste Zeit etwas Kostgeld zu geben, aber wie es dann weitergehen soll, macht mir Kopfzerbrechen. Dabei geht es selbstverständlich nicht ums Geld, das würde ich allemal für sie aufbringen können, aber wenn man sie mit Essen und Trinken versorgt und ihr dabei die Möglichkeit gibt, nichts zu tun, dann heißt das, man verurteilt sie zu Faulheit, Gleichgültigkeit, Apathie, und wo das endet, ist ja bekannt. Folglich muß man für sie eine Beschäftigung finden. Und diese Seite eben gilt es zu bedenken. Strengt euch an, Freunde, gebt mir einen Rat.«
    »Man muß wissen, wozu sie imstande ist«, sagte Simanowski. »Sie wird doch was getan haben, ehe sie ins Bordell kam.«
    Lichonin breitete in hoffnungsloser Gebärde die Arme aus.
    »So gut wie nichts. Ein bißchen was nähen, wie jedes Mädchen vom Lande. Sie war ja noch nicht mal fünfzehn Jahre, als irgend so ein Beamter sie verführt hat. Zimmer fegen, Wäsche waschen, na, und vielleicht noch Kohlsuppe und Grütze kochen. Das ist, glaube ich, alles.«
    »Nicht gerade viel«, sagte Simanowski und schnalzte mit der Zunge.
    »Und außerdem ist sie auch noch Analphabetin.«
    »Ach, das schadet nichts!« engagierte Solowjow sich eifrig. »Wenn wir es mit einem gebildeten Mädchen zu tun hätten oder, noch schlimmer, mit einem halbgebildeten, dann käme bei allem, was wir vorhaben, nur Unfug raus, Seifenblasen, hier aber liegt vor uns jungfräulicher Boden, unbestelltes Neuland.«
    »Hihi!« wieherte Nisheradse zweideutig.
    Solowjow, jetzt schon nicht mehr scherzhaft, sondern ernstlich erzürnt, fuhr ihn an: »Hör zu, Fürst! Jeden heiligen Gedanken, jede edle Sache kann man verunglimpfen und besudeln. Das zeugt weder von Klugheit noch von Würde. Wenn du zu dem, was wir vorhaben, so eine Haltung einnimmst, dann zeige ich dir, wo der Zimmermann das Loch gelassen hat. Geh!«
    »Aber du hast doch vorhin im Zimmer selbst …«, widersprach der Fürst verlegen.
    »Ja, auch ich habe …« Solowjow wurde sofort milder und ruhiger. »Ich habe was Dummes gesagt, und es tut mir leid. Aber jetzt gebe ich gern zu, daß Lichonin ein feiner Kerl und ein guter Mensch ist, und bin bereit, meinerseits alles zu tun. Und ich wiederhole: Ob Analphabetin oder nicht, das ist zweitrangig. Das läßt sich spielend nachholen. Für solch einen unberührten Geist ist das Lesen-, Schreiben- und Rechnenlernen, noch dazu freiwillig und ohne Schule, nichts anderes als Nüsseknacken. Was aber eine manuelle Arbeit betrifft, von der man leben und sich ernähren kann, so gibt es doch Hunderte von Arbeiten, die man leicht in zwei Wochen erlernt.«
    »Zum Beispiel?« fragte der Fürst.
    »Zum Beispiel … zum Beispiel … na, zum Beispiel das Herstellen von künstlichen Blumen. Ja, oder noch besser: als Blumenverkäuferin in einem Laden anfangen. Eine hübsche Arbeit, sauber und schön.«
    »Dazu braucht's Geschmack«, warf Simanowski beiläufig ein.
    »Angeborenen Geschmack gibt es nicht, ebensowenig wie angeborene Fähigkeiten. Sonst kämen Talente nur aus erlesener, hochgebildeter Gesellschaft, Künstler würden nur in Künstlerfamilien geboren, Sänger nur in Sängerfamilien, aber dem ist nicht so. Übrigens will ich nicht streiten. Gut, wenn nicht Blumenmädchen, dann eben etwas anderes. Ich habe beispielsweise kürzlich auf der Straße gesehen, wie in einem Schaufenster ein Fräulein saß mit einer fußbetriebenen kleinen Maschine vor sich.«
    »Sieh an! Wieder ein Maschinchen!« sagte der Fürst lächelnd mit einem Blick auf Lichonin.
    »Hör auf, Nisheradse!« erwiderte Lichonin leise, aber streng. »Schäm dich!«
    »Dussel!« fuhr Solowjow ihn an und sprach dann weiter: »Also, die Maschine bewegt sich vorwärts und

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