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Das sündige Viertel

Das sündige Viertel

Titel: Das sündige Viertel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kuprin
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rückwärts, und oben ist ein dünner Stoff auf einen quadratischen Rahmen gespannt, ich weiß wirklich nicht genau, wie das konstruiert ist, hab's nicht begriffen, aber jedenfalls fährt das Fräulein mit einem Metalldings über den Stoff, und es entsteht ein entzückendes Bild aus verschiedenfarbiger Seide. Stellt euch einen See vor, ganz überwuchert von Seerosen mit ihren weißen Blüten und gelben Staubgefäßen, und rundherum große grüne Blätter. Auf dem Wasser schwimmen zwei weiße Schwäne aufeinander zu, und im Hintergrund ist ein dunkler Park mit einer Allee, und das Ganze zart und exakt wie eine Aquarellmalerei. Mich hat das so interessiert, daß ich extra reingegangen bin und gefragt habe, was es kostet. Nur wenig teurer als eine gewöhnliche Nähmaschine, und sie wird auf Raten verkauft. Lernen kann diese Kunst jeder, der ein wenig mit einer einfachen Nähmaschine umzugehen versteht, innerhalb einer Stunde. Und es gibt eine Menge hübscher Vorlagen. Und was die Hauptsache ist: Solche Arbeiten werden sehr gern für Wandschirme, Alben, Lampenschirme, Vorhänge und ähnlichen Kram verwendet, und bezahlt wird es recht ordentlich.«
    »Warum nicht, das wäre auch was«, stimmte Lichonin zu und strich sich nachdenklich den Bart. »Aber ich hatte, offen gestanden, folgendes vor. Ich wollte für sie eine kleine Speisewirtschaft oder Imbißstube eröffnen, ganz winzig natürlich fürs erste, jedenfalls sollte dort alles sehr billig, reinlich und schmackhaft sein. Vielen Studenten ist es doch ganz egal, wo sie essen und was. In der Mensa reichen die Plätze fast nie. Und so könnten wir vielleicht alle Bekannten und Freunde als Gäste gewinnen.«
    »Das ist schon richtig«, stimmte der Fürst zu, »aber auch unpraktisch: dann lassen wir nämlich anschreiben. Und du weißt, was für akkurate Zahler wir sind. Für so etwas braucht es einen praktischen Menschen, der sich nicht übers Ohr hauen läßt, und wenn schon eine Frau, dann muß sie Haifischzähne haben, und trotzdem muß ihr ein Mann Rückendeckung geben. Wirklich, es kann doch nicht Lichonins Aufgabe sein, an der Kasse zu stehen und aufzupassen, daß nicht plötzlich jemand, nachdem er gegessen und getrunken hat, heimlich abhaut.«
    Lichonin sah ihn fest und herausfordernd an, biß aber nur die Zähne zusammen und schwieg.
    Nun begann Simanowski zu sprechen, in seinem gemessenen Ton, der keinen Widerspruch zuließ, und er rückte dabei an seinen Zwickergläsern.
    »Ihre Absichten sind hervorragend, Herrschaften, unbestreitbar. Aber haben Sie auch die Schattenseiten bedacht? Eine Speisewirtschaft eröffnen, ein Handwerk erlernen – das erfordert doch alles erst einmal Geld und Unterstützung, einen Rücken zum Anlehnen sozusagen. Ums Geld ist es nicht schade, das stimmt, da bin ich mit Lichonin einer Meinung; die Frage ist nur, ob solch ein Beginn eines auf Arbeit gegründeten Lebens, wenn jeder Schritt von vornherein abgesichert ist, nicht doch unweigerlich zu Disziplinlosigkeit und Schlamperei führt und letzten Endes zu Gleichgültigkeit und zu Vernachlässigung der Sache. Auch ein Kind lernt nicht laufen, ehe es nicht an die fünfzigmal hingefallen ist. Nein, wenn Sie diesem armen Mädchen wirklich helfen wollen, dann geben Sie ihr die Möglichkeit, sich gleich auf eigene Füße zu stellen, als werktätiger Mensch, nicht als Drohne. Gewiß ist das eine harte Prüfung, die Schwere der Arbeit und vorübergehend auch materielle Not, aber dafür wird sie, wenn sie das meistert, auch alles übrige meistern.«
    »Was denn, soll sie, Ihrer Meinung nach, als Geschirrwäscherin arbeiten?« fragte Solowjow ungläubig.
    »Gewiß«, erwiderte Simanowski gelassen, »als Geschirrwäscherin, als Waschfrau, als Köchin. Jede Arbeit adelt den Menschen.«
    Lichonin wiegte den Kopf.
    »Goldene Worte. Die Weisheit selbst spricht aus Ihrem Munde, Simanowski. Als Geschirrwäscherin, als Köchin, als Dienstmädchen, als Wirtschafterin … Aber erstens wird sie dazu schwerlich imstande sein, und zweitens war sie schon einmal Dienstmädchen und hat das alles genossen: daß der Herr sie vor allen Leuten anschreit und daß der Herr sie im Korridor vor der Tür heimlich kneift. Sagen Sie, wissen Sie denn nicht, daß neunzig Prozent aller Prostituierten sich aus den Reihen weiblichen Dienstpersonals rekrutieren? Und folglich wird die arme Ljubka bei der ersten Ungerechtigkeit, beim ersten Mißerfolg am ehesten und liebsten dorthin zurückkehren, wo ich sie rausgeholt habe, wenn

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