Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das sündige Viertel

Das sündige Viertel

Titel: Das sündige Viertel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kuprin
Vom Netzwerk:
nicht gar noch schlimmer, denn für sie ist ja so etwas nicht ungewohnt und gar nicht so schrecklich, und möglicherweise zeigt sie sich ihrem Brotherrn durchaus gefügig. Und außerdem: Lohnt es, daß ich, das heißt, ich wollte sagen, daß wir alle so viel Mühe auf uns nehmen, um dann einen Menschen, kaum daß er aus der einen Sklaverei erlöst wurde, in eine andere hineinzutreiben?«
    »Richtig«, bestätigte Solowjow.
    »Wie Sie wollen«, zischte Simanowski mit verächtlicher Miene.
    »Was mich betrifft«, bemerkte der Fürst, »so bin ich, als dein Freund und als wißbegieriger Mensch, bereit, an diesem Experiment teilzunehmen. Aber ich habe dich schon heute morgen gewarnt, daß solche Experimente stets mit einer schmählichen Niederlage geendet haben, wenigstens die, von denen wir persönlich Kenntnis haben, und die anderen, von denen wir nur vom Hörensagen wissen, sind zweifelhaft im Sinne ihrer Glaubwürdigkeit. Aber du hast nun einmal begonnen, Lichonin, nun führe es auch aus. Wir werden dir helfen.«
    Lichonin schlug mit der flachen Hand auf den Tisch.
    »Nein!« rief er starrsinnig. »Simanowski hat zum Teil recht damit, daß es eine große Gefahr für den Menschen darstellt, wenn er am Gängelband geführt wird. Aber ich sehe keinen anderen Ausweg. Fürs erste helfe ich ihr mit einem Zimmer und mit Kostgeld. Ich werde eine leichte Arbeit finden und ihr die erforderlichen Utensilien kaufen. Lassen wir's drauf ankommen! Und wir sollten alles tun, um ihren Verstand wenigstens ein bißchen zu schulen; daß ihr Herz und ihre Seele gut sind, davon bin ich überzeugt. Ich habe keinerlei Begründung für diesen Glauben, aber ich bin überzeugt, ich weiß es beinahe. Nisheradse! Sei nicht schon wieder albern!« schrie er scharf und wurde blaß. »Ich habe mich schon mehrmals beherrschen müssen bei deinen idiotischen Ausfälligkeiten. Bisher hielt ich dich für einen Menschen, der Gewissen und Taktgefühl besitzt. Noch eine einzige unpassende Bemerkung, und ich ändere meine Meinung über dich, aber dann für immer, daß du's weißt.«
    »Aber ich habe doch gar nichts … Also wirklich, ich … Warum denn gleich auf die Barrikaden gehen, Freund? Dir mißfällt, daß ich ein heiterer Mensch bin, na gut, ich schweige. Reich mir die Hand, Lichonin, laß uns trinken!«
    »Na, laß schon gut sein. Auf dein Wohl! Nur führ dich nicht so kindisch auf, du ossetischer Hammel. Also, ich fahre fort, Herrschaften. Wenn wir nichts finden, was Simanowskis berechtigter Meinung von der Würde einer selbständigen Arbeit ohne fremde Unterstützung entspricht, dann bleibe ich dennoch bei meinem Plan: Ljuba so gut wie möglich zu bilden, sie ins Theater zu führen, in Ausstellungen, zu populärwissenschaftlichen Vorträgen, in Museen, ihr vorzulesen, ihr Möglichkeiten zum Musikhören zu bieten, verständliche Musik natürlich. Ich allein, ganz klar, kann das nicht schaffen. Ich erwarte eure Hilfe, und dann, so Gott will, sehen wir weiter.«
    »Warum nicht«, sagte Simanowski. »Eine neue, unerprobte Sache, und wie soll man Bescheid wissen über etwas, was man nicht kennt. Vielleicht, Lichonin, werden Sie wirklich der geistige Vater eines guten Menschen. Ich biete ebenfalls meine Dienste an.«
    »Ich auch! Ich auch!« fielen die beiden anderen ein, und sofort, ohne den Tisch zu verlassen, erarbeiteten die vier Studenten ein sehr umfassendes und sehr wunderliches Programm für Ljubkas Erziehung und Bildung.
    Solowjow übernahm es, das Mädchen in Grammatik und Schreiben zu unterrichten. Um sie nicht mit öden Lektionen zu langweilen und als Belohnung für ihre Erfolge würde er ihr schöngeistige Literatur vorlesen, russische und ausländische. Lichonin behielt sich den Unterricht in Arithmetik, Geographie und Geschichte vor.
    Der Fürst aber sagte treuherzig, diesmal ohne den üblichen Spott: »Ich, Leute, ich kann nichts, und wenn ich schon was kann, dann sehr, sehr schlecht. Aber ich werde ihr das hervorragende Werk des großen georgischen Dichters Rusthaweli vorlesen und Zeile für Zeile übersetzen. Ich muß gestehen, ich bin durchaus kein Pädagoge: ich habe mich schon als Repetitor versucht, aber gleich nach der zweiten Stunde hat man mich höflich entlassen. Allerdings kann niemand besser als ich Gitarren-, Mandolinen- und Surnaunterricht erteilen.«
    Nisheradse sprach ganz ernsthaft, und deshalb brachen Lichonin und Solowjow in gutmütiges Gelächter aus, doch völlig unerwartet, zur allgemeinen Verwunderung unterstützte

Weitere Kostenlose Bücher