Das Syndikat der Spinne
nicht entging. »Aber weshalb fragen Sie danach?«
»Das hat sich erledigt. Sie hat ihn am Montag, kurz nachdem wir sie in ihrem Geschäft aufgesucht haben, angerufen. Wir haben eine Liste aller Gespräche, die sie in den Tagen vor ihrem Tod geführt hat. Es sind allerdings nur sehr wenige.«
»Leider kann ich Ihnen da nicht weiterhelfen. Aber Sie wollen damit doch nicht andeuten, dass er mit dem Tod meines Mannes etwas zu tun haben könnte?«
»Um Himmels willen, nein«, blockte Durant schnell ab, obgleich sie in diesem Moment genau das dachte, »das entbehrt jeglicher Grundlage. Ihr Schwager steht unter keinem Verdacht. Wir suchen einfach nur eine Verbindung. Vergessen Sie, was ich gesagt habe.« Sie machte eine Pause, überlegte, ob sie das Folgende aussprechen sollte, und überwand sich schließlich, es zu tun. »Frau Wiesner, Sie kennen doch einen Dr. Andrejew. Zumindest hat er gesagt, Sie und Ihr Mann seien bei ihm in Behandlung. Ist das richtig?«
»Ja, warum?«
»Hätten Sie irgendwann in der nächsten Zeit wieder einen Termin bei ihm?«
»Nein, vielleicht in einem halben Jahr, zur Kontrolle. Darf ich fragen, was Sie mit Dr. Andrejew zu tun haben?«
»Routine. Es ist nur so, Dr. Andrejew wird auch erpresst und hat sich wohl mit Ihrem Mann einmal darüber unterhalten. Ich möchte Sie aber bitten, auch dies mit äußerster Diskretion zu behandeln. Ich wollte damit nur sagen, dass Ihr Mann kein Einzelfall ist.«
»Das tut mir Leid für Dr. Andrejew, er ist ein sehr guter Arzt und überhaupt sehr nett. Wir haben auch privat ab und zu Kontakt.«
»Seien Sie mir bitte nicht böse, Frau Wiesner, aber wir sind heute gewaltig unter Zeitdruck. Sie sehen, nicht einmal am Feiertag kommen wir zur Ruhe.« Durant und Hellmer erhoben sich, Ramona Wiesner reichte ihnen die Hand.
»Ich kann das verstehen, wirklich. Es ist doch sicherlich manchmal sehr deprimierend, das alles mitzuerleben, oder?«
»An manche Dinge gewöhnt man sich, an andere nie.« Als sie an der Tür waren, sagte Durant noch: »Ach ja, um noch einmal kurz auf Dr. Andrejew und seine Familie zurückzukommen, sie sind untergetaucht. Er wird versuchen sich woanders ein neues Leben aufzubauen. Er ist heute Morgen weggefahren. Sie werden sich wohl oder übel einen neuen Zahnarzt suchen müssen.« Julia, dachte dieKommissarin, du bist eine verdammte Lügnerin und Zynikerin. Ein neues Leben aufbauen! Wo denn, im Sarg vielleicht?!
»Wenn nur mein Mann den gleichen Mut aufgebracht hätte. Dr. Andrejew ist ein hervorragender Zahnarzt und ein großartiger Mensch. Schade. Doch jetzt will ich Sie nicht länger aufhalten, Sie haben noch eine Menge zu tun. Außerdem muss ich gleich noch einmal zu meinen Eltern und nach den Kindern sehen.«
Julia Durant und Frank Hellmer verabschiedeten sich und gingen zum Auto. Ramona Wiesner sah ihnen nach, kehrte ins Haus zurück und überlegte. Nach einer Weile griff sie zum Telefon und rief bei ihrer Schwägerin an. Sie fragte, ob es ihr recht wäre, wenn sie am Abend noch einmal kurz vorbeikommen würde. Sie fühle sich nicht gut und bräuchte jemanden zum Reden. Nach dem Gespräch nahm sie eine Tablette gegen ihre Kopfschmerzen, zog sich etwas anderes an und machte sich auf den Weg nach Echzell.
Donnerstag, 17.15 Uhr
Auf der Fahrt zurück ins Präsidium sagte Durant: »Ist dir was aufgefallen, als ich die Wiesner nach ihrem Schwager gefragt habe?«
»Nee, was soll mir aufgefallen sein?«
»Weiß ich selbst nicht so genau. Sie hat sich für einen Moment merkwürdig verhalten. Ich kann mich natürlich auch täuschen. Trotzdem werde ich mir ihren Schwager in den nächsten Tagen mal gründlich vornehmen. Der Typ ist mir einfach suspekt.«
»Julia, sieh jetzt bitte nicht gleich überall einen potenziellen Mörder. Dieser Tag ist über unsere Kräfte gegangen, und ich freue mich jetzt schon auf zu Hause. Ich halte mich heute mit Sicherheit nicht mehr länger als eine Stunde im Büro auf, dann mach ich Feierabend. Und du solltest mit Dominik nicht zu hart ins Gericht gehen. Sicher, es war nicht richtig von ihm, uns die Schlüssel vorzuenthalten, aber er hätte keine Story draus gebastelt. Wenn ich mir vorstelle, er hättedie Leichen gefunden …« Zum ersten Mal seit ein paar Stunden grinste Hellmer wieder. »Der hätte sich vor Angst und Schreck in die Hosen geschissen.«
»Du glaubst aber nicht, dass ich ihm die sauber gemacht hätte, oder?« Und nach einem Blick auf die Uhr: »Ich bleib heute auch nicht mehr lange. Ich
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