Das Syndikat der Spinne
und besaß zudem seit einem Jahr einen deutschen Pass. Er hatte im Laufe der Zeit Leute kennen gelernt, die zu den bedeutendsten Persönlichkeiten in Politik, Wirtschaft und Kultur zählten. Er hatte miterleben müssen, wie dieses nach außen so integre Unternehmen in seinem Kern durch und durch kriminell war. Schmutzige Gelder wurden gewaschen, Drogen in großem Stil von Russland aus in alle westeuropäischen Länder transportiert und verteilt, Menschen wurden wie Vieh gehandelt, Geschäftsleute in den Ruin getrieben. Er wusste von einigen Auftragskillern, die jedoch nur unter Decknamen ihre teuflische Arbeit verrichteten, und ein paar besonders gute unter ihnen besaßen gleich zehn oder zwanzig verschiedene Pässe. Doch keine von diesen Killermaschinen hatte er je zu Gesicht bekommen, und er hatte auch keine Ahnung, wo auch nur einer von ihnen wohnte. Daniel Laskin war machtlos gegen diese Übermacht aus Geld und Überwachung. Immer wieder schmiedete er Schlachtpläne, wie er diesem Moloch entfliehen konnte, doch gleichzeitig wusste er, dasssie ihn finden würden, ganz egal, wo auf der Welt er sich verstecken würde.
Und alles das erzählte er in dieser Nacht Natascha. Und er sagte ihr auch, dass Irina nie etwas davon mitbekommen habe, zum einen, weil sie dann in Gefahr gewesen wäre, zum andern, weil er auch Nataschas Leben nicht aufs Spiel setzen wollte.
Schließlich lernte er vor gut fünf Jahren Irina und Natascha kennen, und Irina war es, die ihn unbedingt haben wollte, obgleich er sich in Natascha verliebt hatte. Aber zu diesem Zeitpunkt gab es einen anderen Mann in Nataschas Leben, der sie umwarb, Natascha aber hatte diesem Werben nie nachgegeben. Um stets in Nataschas Nähe zu sein, und weil er sich immer noch Hoffnungen machte, hatte er jahrelang Irina vorgegaukelt, sie ebenfalls zu lieben, obgleich er nur Augen für Natascha hatte.
Nachdem er geendet hatte, nahm Natascha ihn in den Arm und weinte mit ihm. Er verfluchte sein Leben, seine Ausbildung, den Mossad und die Firma, wie er sie nannte, vor allem aber die Bestien, die das Sagen hatten – honorige Geschäftsleute und ebenso honorige Politiker, wie er zynisch betonte, menschenverachtend, korrupt und geldgeil. Nicht nur einmal hatte er sich in den vergangenen Jahren gewünscht, irgendein armer Bauer in Israel zu sein und niemals etwas von alldem mitbekommen zu haben. Er erzählte Natascha von seinen Träumen als junger Mann, wie er sich seine Zukunft vorgestellt hatte, doch keiner dieser Träume war in Erfüllung gegangen. Und das Rad der Zeit ließ sich nicht zurückdrehen, es drehte sich nur immer weiter vorwärts.
Natascha meinte, er solle sich an die Polizei wenden, woraufhin Laskin nur höhnisch auflachte und sagte, sie solle ihm einen Polizisten nennen, der ihm wirklich helfen würde. Er kenne jedenfalls keinen. Daraufhin nannte Natascha den Namen Julia Durant. Sie habe von Anfang an gespürt, dass diese Frau nicht korrupt sei, dass sie schweigen könne und ihm mit Sicherheit helfe.
Es dauerte fast zwei Stunden, bis sie ihn überzeugt hatte, sich der Kommissarin anzuvertrauen. Und wenn er wolle, gehe Nataschamit ihm. Schließlich waren sie gegen Morgen eingeschlafen, doch schon zwei Stunden später klingelte das Telefon, und Julia Durant war dran. Natascha sah dies als ein Zeichen, und zum ersten Mal seit langem meinte sie, in Daniel Laskins Augen einen Schimmer der Hoffnung zu sehen.
Sie frühstückten gemeinsam und unterhielten sich über Belanglosigkeiten, bis Natascha fragte: »Daniel, hast du eigentlich jemals in deinem Leben einen echten Freund gehabt?«
Laskin zögerte mit der Antwort, dann sagte er: »Als Kind hatte ich einen Freund. Das Problem war, er war Palästinenser, aber mir hat das nichts ausgemacht. Ich war kaum zehn, als er mit seinen Eltern weggezogen ist. Danach war ich eigentlich mehr ein Einzelgänger. Einige Jahre später hatte ich einen Freund, mit dem ich durch dick und dünn gegangen bin. Du hast ihn sogar mal kennen gelernt, Rachmiel. Erinnerst du dich noch an ihn?«
Natascha nickte. »Ja, aber das ist schon lange her. Habt ihr noch Kontakt?«
»Nein, wir haben uns aus den Augen verloren. Wir sind zusammen zum Militär gegangen, danach haben wir uns eine Weile nicht gesehen, als ich beim Mossad war, aber dann haben wir uns zufällig in Frankfurt wiedergetroffen. Ich weiß noch, wie scharf er auf Irina war, doch sie wollte nichts von ihm wissen«, sagte Laskin lachend.
»Die Abfuhr hat ihn wohl sehr getroffen.
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