Das Syndikat der Spinne
natürlich auch ein Liebespaar gewesen sein …«
»Moment, Sie konnten in der Dunkelheit die Automarke nicht erkennen. Aber könnte es dasselbe Auto gewesen sein, mit dem man Sie aufs Präsidium gebracht hat?«
»Ich versuche es mir gerade vorzustellen. Ja, es könnte dasselbe Auto gewesen sein.«
»Als sich der eine die Zigarette angezündet hat, konnten Sie da erkennen, wie viele Personen sich in dem Wagen aufgehalten haben?«
Ramona Wiesner schüttelte den Kopf. »Nein, dazu war es zu dunkel.«
»Um welche Uhrzeit war das in etwa?«
»So gegen Viertel nach zwei.«
»Frau Wiesner, das, was Sie mir jetzt gesagt haben, dürfen Sie unter gar keinen Umständen vor dem Staatsanwalt wiederholen. Sie dürfen mit dem Rechtsanwalt darüber sprechen, denn ich werde ihm schon vorher die wesentlichen Informationen zukommen lassen. Eswird also außer mir, meinen Kollegen und dem Anwalt keiner davon in Kenntnis gesetzt. Abgemacht?«
»Natürlich.«
»Gut, dann werde ich jetzt ein paar Nachforschungen anstellen. Mal sehen, ob ich ins Schwarze treffe.«
Julia Durant begab sich in die Einsatzzentrale, wo mehrere Beamte die eingehenden Notrufe entgegennahmen. Sie bat einen der vor einem Computer sitzenden Beamten, ihr die Liste der in der vergangenen Nacht eingegangenen Notrufe zu zeigen. Er drückte auf eine Taste und ließ die Liste ausdrucken. Sie ging sämtliche Anrufe durch und schnalzte mit der Zunge. Dann bedankte sie sich, begab sich in Bergers Büro und legte wortlos die Liste auf seinen Schreibtisch.
»Was soll ich damit?«, fragte er.
»Was haben Sie gesagt, wer den anonymen Anruf letzte Nacht entgegengenommen hat? Die Einsatzzentrale? Dann schauen Sie sich mal die Liste genau an. Dort ist zwar ein Anruf vermerkt, der wurde allerdings direkt an den KDD weitergeleitet. Daraufhin ist ein Wagen nach Glashütten zu Frau Wiesner geschickt worden. Dieser Anruf ging aber um genau 2.46 Uhr hier ein. Seltsam, nicht?«
Berger sah Durant irritiert an. »Was soll daran seltsam sein?«
»Nun, das Erste ist, dass Frau Wiesner sich ganz genau daran erinnert, dass es um Punkt 3.10 Uhr bei ihr geklingelt hat. Das ist meiner Rechnung nach vierundzwanzig Minuten nach dem Anruf. Die Einsatzzentrale hat den KDD informiert, der, ohne die Bereitschaft der Mordkommission zu verständigen, in dem Fall Hellmer und mich, einfach nach Glashütten gefahren ist, um Frau Wiesner festzunehmen. Aber das nur nebenbei. Im günstigsten Fall vergehen mindestens fünf Minuten vom Anruf bis zur Abfahrt der Männer. Selbst wenn sich kein einziges Auto auf der Straße befindet und ich mit Vollgas von Frankfurt nach Glashütten rase, brauche ich immer noch länger als neunzehn Minuten. Unter fünfundzwanzig Minuten ist selbst nachts überhaupt nichts drin. Soll ich Ihnensagen, was Frau Wiesner mir außerdem gerade eben erzählt hat? Jetzt halten Sie sich fest.« Sie setzte sich, zündete sich eine Gauloise an und sah Berger durch den Rauch hindurch an. »Sie konnte nicht einschlafen, ist nach ein paar Minuten wieder aufgestanden und hat sich ans Fenster gestellt. Das war gegen Viertel nach zwei. Vor ihrem Haus hat zu dem Zeitpunkt bereits ein Wagen gestanden, in dem sich mehrere Personen aufgehalten haben. Sie hat das gesehen, weil sich einer der Insassen, vermutlich der Fahrer, eine Zigarette angesteckt hat. Sie hat dem weiter keine Bedeutung beigemessen, hat sich wieder hingelegt und ist eingeschlafen, aber kurz darauf ist sie schon wieder geweckt worden.« Sie hielt inne und sah Berger durchdringend an. »Und jetzt frage ich Sie, was hat das zu bedeuten? Oder nein, ich sag’s Ihnen. Wir sollen hier nach Strich und Faden verarscht werden. Die Wiesner hat zwar ihren Schwager umgelegt, aber sie soll meiner Meinung nach jetzt als der eigentliche Sündenbock hingestellt werden. Und das werde ich nicht zulassen.«
»Das ist allerdings seltsam«, murmelte Berger vor sich hin. »Jetzt muss ich mich natürlich auch fragen, was das soll …«
Er wollte gerade noch etwas hinzufügen, als die Tür aufging. Küchler. Er murmelte ein »Guten Tag«, stellte seine Tasche auf den Boden und setzte sich auf den freien Stuhl. »Schön, dass ich Sie hier antreffe, Frau Durant. Haben Sie schon mit Frau Wiesner sprechen können?«
»Ja, ich habe mit ihr gesprochen.«
»Und, hat sie gestanden?«
»Sie hat gestanden, aber …«
»Na prima«, wurde sie von Küchler unterbrochen, »Sie werden sich auch weiter im Wesentlichen um Frau Wiesner kümmern, und ich
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