Das Syndikat der Spinne
aneinander und dachte nach. »Sophia. Sie stammt tatsächlich aus einer der reichsten und wohl auch einflussreichsten Familien Italiens. Ihr Vater war von ’90 bis ’92 sogar Innenminister, bis man ihm Beziehungen zur Mafia unterstellte. Natürlich gab es keine Beweise dafür, aber ’92 ist Salvatore Muti von seinem Posten zurückgetreten. Seitdem lebt er mit seiner Familie zurückgezogen in der Nähe von Neapel. Er hat zwar stets vehement bestritten, jemals auch nur das Geringste mit der Mafia zu tun gehabt zu haben, aber die Gerüchte sind nie verstummt. Ob was dran ist, kann ich nicht sagen. Aber jetzt, nachdem das mit Andreas passiert ist und ich weiß, was Thomas so alles getrieben hat, könnte ich mir schon vorstellen, dass …« Sie stockte, schaute zur Seite und zog die Augenbrauen hoch. Dann beugte sie sich nach vorn und sagte leise: »Natürlich! Thomas ist über Sophia in die Mafia gelangt. Das würde zumindest einiges erklären. Andreas hat sich immer gewundert, wie Thomas es geschafft hat, in den Vorstand der Bank zu kommen. Oftmals geschieht das ja nur, indem man jemanden hat, der einen nach oben zieht. Und Salvatore Muti ist mächtig, sehr mächtig sogar. Möglicherweise hat er Thomas diesen rasanten Aufstieg ermöglicht.«
»Wir werden es überprüfen. Und jetzt kann ich Ihnen nur vielGlück wünschen. Der Prozess wird vermutlich schon sehr bald sein. Was hat übrigens Ihre Unterredung mit dem Staatsanwalt ergeben? Hat er Sie nach dem Koffer gefragt?«
»Ja. Er hat gefragt, ob ich ihn aufgemacht und etwas entnommen hätte. Aufgemacht ja, entnommen nein, was ja auch stimmt.«
»Sonst hat er nichts weiter gesagt?«
»Nein. Er hat nur gemeint, er habe erfahren, dass ich angeblich einmal ein Verhältnis mit Thomas gehabt hätte. Ich habe keine Ahnung, woher er das hat, aber das ist absolut aus der Luft gegriffen. Er wollte mir auch nicht verraten, wie er auf diese absurde Idee kommt.«
»Sie hatten also kein Verhältnis mit Ihrem Schwager?«
»Frau Durant, ich bitte Sie! Seit ich Andreas kannte, wollte ich mit keinem andern Mann zusammen sein, und das ist die Wahrheit. Versucht haben es einige, aber ich war Andreas immer treu.«
»Und bevor Sie Ihren Mann kannten?«
Ramona Wiesner zögerte mit der Antwort, schließlich sagte sie: »Ich habe Andreas auf einem Gartenfest kennen gelernt, das Thomas gegeben hat. Obwohl Thomas da schon verheiratet war und ein Kind hatte, hat er sich an mich rangemacht. Ich habe ihn jedoch zurückgewiesen und ihm deutlich zu verstehen gegeben, dass ich mit einem verheirateten Mann nichts zu tun haben will. Er hat es daraufhin noch ein paarmal versucht, sogar als ich bereits verheiratet war. Andreas wusste davon und hat seinen Bruder einmal gehörig in die Schranken verwiesen. Seitdem hat Thomas Ruhe gegeben.«
»Das ist sehr interessant. Die Frage ist nur, woher weiß Küchler davon? Gibt es in Ihrem Haus irgendwelche Unterlagen wie Briefe oder andere Dinge, die zumindest darauf hindeuten, dass Thomas Ihnen Avancen gemacht hat?«
»Nein. Er hätte sich auch schwer gehütet, mir zu schreiben, weil er es dann so richtig mit Andreas zu tun bekommen hätte.«
»Sprechen Sie mit Ihrem Anwalt darüber, was Küchler angedeutet hat. Der bringt es nämlich fertig und lässt Sie vor Gericht ins offene Messer laufen. Und denken Sie noch einmal genau darübernach, ob er nicht doch vielleicht irgendetwas in der Hand hat, das er gegen Sie verwenden könnte.«
»Ich bin sicher, es gibt nichts. Und wenn doch, dann hat man es mir untergeschoben. Wenn ich nur wüsste, was mich im Gericht erwartet«, sagte sie mit verzweifeltem Blick.
Julia Durant legte eine Hand auf die von Ramona Wiesner und versuchte sie zu beruhigen. »Sie haben den besten Anwalt, den Sie sich vorstellen können. Bleiben Sie einfach stark, auch wenn sich das aus meinem Mund vielleicht dumm anhört.«
»Ich werde mein Bestes geben.«
Als sie wieder draußen waren, sagte Hellmer: »Also wenn das stimmt, dass der alte Muti ein Mafioso ist, dann würde das einiges erklären. Ich kann mich jetzt sogar an den Fall erinnern, das hat damals für ziemlichen Wirbel gesorgt. Aber beweisen konnte man ihm nie etwas. Genau wie bei, wie hieß er doch gleich …«
»Andreotti«, half ihm Durant auf die Sprünge. »Und jetzt verstehe ich auch das Verhalten seiner Tochter. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass die den Wiesner nicht aus Liebe geheiratet hat, sondern vor allem, weil er bei dieser ganz speziellen Bank
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