Das Syndikat der Spinne
wer?«
»Kreuzer.«
»Also Ihr Kollege Kreuzer. Nachdem Sie den Koffer und die Pistole hatten, sind Sie dann direkt mit Frau Wiesner aufs Präsidium gefahren?«
»Ja, natürlich.«
»Und Sie haben den Koffer, wie Sie sagen, nebenan abgestellt, und zwar in einem Zimmer, in dem sich kein Mensch aufgehalten hat. Was ist dann mit dem Koffer passiert?«
»Woher soll ich das denn wissen?! Wir haben nur einen Befehl ausgeführt.« Böhler wurde immer nervöser, rutschte auf seinem Stuhl unruhig hin und her. Durant wusste, wie anfällig jemand war, der vor Müdigkeit kaum noch geradeaus blicken konnte, der sich nichts sehnlicher als sein Bett wünschte. Es war ein Leichtes für sie, ihm auch den letzten Rest Elan zu nehmen und ihn zum Reden zu bringen.
»Warum sollten Sie das Haus von Frau Wiesner observieren?«
»Keine Ahnung, das ist uns nicht gesagt worden. Es hieß nur, es bestehe akute Fluchtgefahr, und außerdem sollten wir beobachten, ob jemand das Haus betritt oder verlässt.«
»Wissen Sie, von wem die Anweisung kam?«
»Nein. Ich schwöre es. Offiziell von Steiner, aber ihm können so viele ebenfalls Weisungen erteilen, dass … Wir sind um kurz nach eins instruiert worden und zwanzig Minuten später losgefahren. Ich glaube, nicht einmal Steiner weiß, wer letztendlich die Anordnung gegeben hat.«
»Ihnen ist aber bekannt, dass wesentliche Dinge aus dem Koffer fehlen, oder?«
»Nein, doch ich kann es mir denken, wenn Sie mich so fragen. Was wird jetzt aus mir?«, wollte er wissen, und obwohl er versuchte seine Angst zu verbergen, gelang es ihm nicht.
»Gar nichts. Lassen Sie sich einfach nichts anmerken. Ich brauchtenur eine Bestätigung für meine Vermutung. Einer Ihrer beiden Kollegen muss aber wissen, wer die Sachen aus dem Koffer entwendet hat. Und jetzt kommen Sie ins Spiel. Finden Sie heraus, wer es war und was damit passiert ist.«
»Das kann ich nicht! Wie soll ich das denn anstellen? Die schöpfen doch sofort Verdacht! Außerdem ist uns dreien gesagt worden, dass wir den Koffer im Büro nebenan abstellen sollten. Wer denkt denn schon, dass wir damit irgendwas decken würden? Ich glaube, Kreuzer und Maier wissen so wenig wie ich oder Steiner, was da wirklich abgelaufen ist.«
»Das heißt, der Koffer war tatsächlich für eine Weile unbewacht.«
»Ich nehme es an«, gab Böhler kleinlaut zu und wand sich dabei wie ein Aal.
»War er’s, oder war er’s nicht? Ich möchte bitte eine klare Antwort haben.«
»Ja.«
»War das auch ein Befehl?«
»Ja, verdammt noch mal! Aber woher hätten wir denn wissen sollen, dass …«
»Herr Böhler, normalerweise hätten ich und mein Kollege die Verhaftung vornehmen müssen, da wir den Fall bearbeiten. Ist es Ihnen nicht seltsam vorgekommen, dass der KDD mit einem Mal eine Verhaftung vornimmt, die in den Zuständigkeitsbereich der Mordkommission fällt?«, sagte Durant mit plötzlich sanfter Stimme.
»Schon, aber … Ach, ich weiß nicht, ich kann im Augenblick gar nicht klar denken. Wenn irgendwer rauskriegt, dass ich geplaudert habe – die machen mich fertig.«
»Keiner bekommt irgendwas raus, versprochen. Und jetzt gehen Sie nach Hause und schlafen sich aus. Ach ja, da fällt mir noch was ein. Wieso sollten Sie eigentlich den Aktenkoffer beschlagnahmen?«
»Was weiß ich. Es ist uns einfach gesagt worden. Was wird jetzt aus mir?«, fragte er mit gequältem Gesichtsausdruck.
»Was soll schon werden?«, sagte sie grinsend. »Dieses Gespräch hat nie stattgefunden. Ist doch so, oder? Ich bin einfach im falschen Büro gelandet.«
Böhler nickte und versuchte ein Lächeln, was ihm gründlich misslang. Julia Durant wusste, dass Böhler nie etwas sagen würde, dazu saß ihm die Angst zu sehr im Nacken. Sie begab sich zurück in ihr Büro und informierte Hellmer und Kullmer über das Gespräch. Es war klar, dass sie, wen immer sie zu letzter Nacht befragen würden, keine klaren Antworten bekämen. Aber sie wussten jetzt, dass der verschwundene Kofferinhalt überaus brisant und gefährlich für einige Leute war.
Die Kommissarin setzte sich anschließend zu Berger und erzählte ihm von ihrem Gespräch mit Laskin und dem Drogen- und Kindertransport. Ihre Unterredung mit Böhler vom KDD erwähnte sie nicht. Entgegen aller Erwartungen reagierte er recht gelassen. Abschließend meinte er nur, er setze sich umgehend mit Müller in Verbindung, um sich mit ihm zu besprechen und mit ihm zusammen den Einsatz am Montagabend zu planen.
Es war fast siebzehn Uhr,
Weitere Kostenlose Bücher