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Das Syndikat der Spinne

Das Syndikat der Spinne

Titel: Das Syndikat der Spinne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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Uhr
    Dominik Kuhn hatte es sich vor dem Fernseher gemütlich gemacht, eine Flasche Bier stand auf dem Tisch, eine Tüte Chips hielt er in der Hand. Sie streifte ihre Schuhe ab und stellte die Tasche auf den Stuhl.
    »Na, auch schon da?«, sagte er und sah sie mitleidig an. »Harter Tag, was?«
    »Wenn du wüsstest. Ich brauche ein heißes Bad und etwas zu essen. Und dann nur noch schlafen, schlafen, schlafen.«
    »Neuigkeiten?«
    »Später vielleicht. Ich muss das alles erst mal selbst in die Reihe kriegen.«
    »Was soll ich dir denn zu essen machen?«, fragte er, stand auf und schlang seine Arme um sie, was sie sich gerne gefallen ließ.
    »Egal. Irgendwas.« Sie löste sich aus seiner Umarmung, ging an den Kühlschrank, griff nach einer Dose Bier, öffnete sie und nahm einen langen Schluck. Danach wischte sie sich mit der Hand über den Mund und holte tief Luft. »Ich lass mir Wasser ein, nachher können wir ein bisschen reden. Warst du bei Peter?«
    »Zwei Stunden. Er ist wach und ansprechbar, doch es wird noch eine ganze Weile dauern, bis er wieder der Alte ist. Ich habe auf jedenFall lange überlegt, ob ich die Serie bringen soll, und habe mich letztlich dafür entschieden. Aber erst, wenn alles vorbei ist.«
    »Was meinst du mit vorbei?«
    »Wenn ihr den Fall gelöst habt.«
    »Davon sind wir, wie es aussieht, noch weit entfernt«, sagte Durant, trank die Dose leer und warf sie in den Müllbeutel. »Bis gleich, ich bin im Bad.«
    Sie ließ Wasser einlaufen, gab Badeschaum dazu und betrachtete ihr Gesicht im Spiegel – die tiefen Ringe unter den Augen, die Falten um die Mundwinkel und die Nase. Sie sagte zu sich selbst: »Du wirst alt, Julia«, drehte sich um, zog sich aus, warf alles in den Wäschekorb und setzte sich in die Wanne. Sie stellte das Wasser ab und schloss die Augen. Allmählich merkte sie, wie sehr der Tag ihre Nerven beansprucht hatte, wie alles in ihr vibrierte, die Gedanken nicht zum Stillstand kommen wollten. Sie dachte an Laskin und seine geheimnisvollen Andeutungen, aber auch an den Transport und die ahnungslosen Kinder, die im Westen willenlose Opfer einiger Perverser werden sollten. Doch sie würden ihnen einen Strich durch die Rechnung machen. Sie war in ihrer Laufbahn nicht nur einmal mit Kindesmissbrauch und Kinderpornografie konfrontiert worden, aber sie wusste bis jetzt noch nicht, wo das Ende der Spirale war. Vor allem aber wusste sie nicht, wer die eigentlichen Drahtzieher waren und wo sie sich versteckten. Und sie hatte wenig Hoffnung, auch nur einmal wenigstens einen von ihnen zu Gesicht zu bekommen. Aktion Schweinepest, dachte sie und musste Hellmer Recht geben, denn wenn es einen passenden Namen dafür gab, dann diesen.
    Sie blieb eine halbe Stunde im Wasser liegen und hörte aus dem Nebenraum den Fernseher und wie Kuhn in der Küche hantierte. Sie stieg aus der Wanne, trocknete sich ab und rieb sich anschließend mit einer kühlenden Bodylotion ein. Dann zog sie frische Unterwäsche, eine Jogginghose und ein Sweatshirt an. Sie würde heute nicht alt werden, sie fühlte eine bleierne Müdigkeit in sich aufsteigen, die immer stärker Besitz von ihr ergriff.
    Nachdem sie das Wasser hatte ablaufen lassen und die Badewanne ausgespült hatte, besah sie sich ein weiteres Mal im Spiegel und ging ins Wohnzimmer. Kuhn hatte den Tisch gedeckt, eine Tomatensuppe gekocht und Brote gemacht.
    »Du bist ein Schatz«, sagte sie und legte für einen Moment ihren Kopf an seine Schulter. »Ich merke erst jetzt, wie sehr mich dieser Tag geschlaucht hat. Bist du böse, wenn wir jetzt essen und ich danach gleich ins Bett gehe? Ich falle fast um vor Müdigkeit.«
    »Schon in Ordnung«, erwiderte Kuhn und streichelte ihr übers Haar. »Schlaf dich aus. Ich mach dann eben heute eine lange Videonacht.«
    »Bist du gar nicht müde?«
    »Wovon denn? Komm, Essen ist fertig.«
    Sie begannen zu essen. Plötzlich fragte sie: »Kennst du eigentlich Oberstaatsanwalt Küchler?«
    »Bloß vom Namen her. Warum?«
    »Nur so. Und Blumenthal? Ich meine, außer von der Pressekonferenz gestern.«
    »Wer kennt den nicht?! Und mir ist bisher kein Kollege begegnet, der ihn mag. Ich hatte einmal das Vergnügen, ihn interviewen zu dürfen, und dabei ist mir die Galle hochgekommen. Dieser Typ ist zwar Jurist, aber dass er’s zum Generalstaatsanwalt geschafft hat, dafür gibt’s mehrere Gründe – zum einen die Knete seiner Familie im Rücken, dazu unglaubliche Beziehungen, von denen unsereins nur träumen kann und …«

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