Das Syndikat der Spinne
Laskin. Berger stellte keine großen Fragen, zum Beispiel, woher Laskin all diese Insiderinformationen hatte. Er wusste, er würde von Durant vorerst keine Antwort darauf bekommen. Er wünschte ihr noch einen guten Abend, doch bevor er auflegen konnte, erkundigte sich Durant: »Was hat eigentlich ihr Gespräch mit Steiner gestern ergeben?«
»Nichts, absolut nichts. Steiner weiß zwar von dem Koffer, hat aber angeblich nur gehört, dass etwas verschwunden sein soll. Wir laufen hier gegen eine Gummiwand. Aber unter uns, ich habe das Gefühl, dass beim KDD die Angst umgeht. Mehr möchte ich dazu nicht sagen. Ich fürchte, wir werden nie erfahren, was aus den Unterlagen geworden ist.«
»Was glauben Sie denn, wo sie gelandet sein könnten?«, fragte Durant.
»Keine Ahnung.«
»Würden Sie Küchler oder Blumenthal zutrauen, etwas damit zu tun zu haben? Ich weiß, ich habe diese Vermutung schon einmal geäußert, aber ich will einfach Ihre ganz persönliche Meinung dazu hören.«
»Mein Gott, Sie stellen Fragen! Ich traue mittlerweile jedem alles und nichts zu. Sie könnten mich genauso gut fragen, ob Jesus jemals gelebt hat oder ob er nur eine Erfindung von ein paar Spinnern ist. Ich habe wirklich keine Ahnung.«
»Wenn wir diese Unterlagen hätten, würden vermutlich einige Köpfe rollen. Aber jetzt haben wir nichts als die Aussage von Frau Wiesner, die zwar recht detailliert ist, aber vor Gericht keinerlei Beweiskraft hat. Die vom KDD werden eidesstattlich versichern, den Koffer nicht angerührt zu haben, und Frau Wiesner wird behaupten, sie habe sowohl den Terminplaner als auch die Akten durchgesehen. Die Angaben, die sie gemacht hat, sind einfach zu detailliert, um erfunden zu sein. Aber was soll’s, konzentrieren wir uns auf morgen Abend und sehen dann weiter. Einen schönen Tag noch.«
Sie legte auf, nahm den Hörer aber gleich wieder in die Hand und rief bei ihrem Vater an. Er meldete sich schon nach dem ersten Läuten, als hätte er ihren Anruf erwartet.
»Hallo, Paps, ich bin’s. Ich wollte nur mal hören, wie’s dir geht.«
»Mir geht’s gut wie immer«, sagte er, »aber dir geht’s nicht gut, das höre ich an deiner Stimme. Was ist los? Immer noch das Gleiche?«
»Es ist einfach zum Heulen. Ich habe Sachen erfahren, da stellen sich sogar mir die Nackenhaare hoch. Und wir sind praktisch machtlos.«
»Erzähl.«
»Es gibt nicht viel zu erzählen. Ich wollte einfach nur anrufen und deine Stimme hören. Am liebsten würde ich mich ins Auto setzen und nach Hause kommen.«
»Das höre ich gerne. Ich meine, dass du dein Zuhause noch immer hier siehst. Komm einfach, wann du willst, ich habe nicht vor, in der nächsten Zeit wegzufahren. Und ich bin immer für dich da. Und lass mich dir noch etwas sagen: Es gibt jemanden, der auch für dich da ist, du weißt, von wem ich spreche.«
»Ja, ich weiß. Aber sag mir, wo ist dein Gott?«
»Es ist nicht mein Gott, sondern unser Gott, Julia«, unterbrach er sie. »Er hat alles erschaffen und kann selbst Unmögliches möglich machen. Manchmal wünschte ich, du könntest nur ein ganz klein wenig glauben und dich nicht immer nur auf deinen eigenen Verstand verlassen. Kennst du eigentlich das Gedicht ›Spuren imSand‹? Ich meine es dir einmal aufgesagt zu haben, als deine Mutter im Sterben lag.«
»Ich kann mich nicht erinnern, aber …«
»Nichts aber. Pass auf, ich lese es dir vor, es liegt immer auf meinem Schreibtisch. Moment, hier hab ich’s. Hörst du zu?«
»Ja.«
Er begann:
»›Eines Nachts hatte ich einen Traum:
Ich ging am Meer entlang mit meinem Herrn.
Vor dem dunklen Nachthimmel
erstrahlten, Streiflichtern gleich,
Bilder aus meinem Leben.
Und jedesmal
sah ich zwei Fußspuren im Sand,
meine eigene und die meines Herrn.
Als das letzte Bild an meinen Augen
vorübergezogen war, blickte ich zurück.
Ich erschrak, als ich entdeckte,
daß an vielen Stellen meines Lebensweges
nur eine Spur zu sehen war.
Und das waren gerade die schwersten
Zeiten meines Lebens.
Besorgt fragte ich den Herrn.
»Herr, als ich anfing dir nachzufolgen,
da hast du mir versprochen,
auf allen Wegen bei mir zu sein.
Aber jetzt entdecke ich,
dass in den schwersten Zeiten meines Lebens
nur eine Spur im Sand zu sehen ist.
Warum hast du mich allein gelassen,
als ich dich am meisten brauchte?«
Da antwortete er: »Mein liebes Kind,
ich liebe dich und werde dich nie allein lassen,
erst recht nicht in Nöten und Schwierigkeiten.
Dort, wo du nur eine Spur
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