Das Syndikat der Spinne
du meine ganz ehrliche Meinung hören willst, Küchler mag zwar manchmal unausstehlich sein, aber er ist kein Gangster.«
»Du meinst, nur weil er ein nach außen hin biederes Leben führt? Das tun andere auch, und in Wahrheit haben sie’s faustdick hinter den Ohren. Und Blumenthal?«
»An seine Vita ranzukommen ist praktisch unmöglich. Ich glaube kaum, dass ich da Zugriff kriege. Wir können ihn höchstens beschatten lassen, aber wir sollten dabei immer die Relation zwischenAufwand und möglichem Ergebnis im Auge behalten. Und ich sage dir, das Ergebnis wird kaum anders ausfallen als bei Küchler. Meiner Meinung nach sitzt der Maulwurf woanders. Vielleicht ist es ein ganz normaler Staatsanwalt oder ein Richter oder ein Kommissar aus einem andern Dezernat. Was weiß ich«, sagte Kullmer, hob die Schultern und breitete die Arme aus. »Schlag dir das mit Küchler und Blumenthal am besten aus dem Kopf. Und noch was – sollte Blumenthal auch nur im Entferntesten mitbekommen, dass wir ihn durchleuchten, macht er uns alle fertig, und zwar auf verschiedenen Ebenen. Erstens beruflich, und zweitens wird er uns vorwerfen, wir würden das nur tun, weil er Jude ist. Und dann haben wir gleich die ganze Meute und vielleicht auch noch die Presse am Hals. Nee, das ist mir zu heiß, und ich hab auch keine Lust, mir meine Beamtenlaufbahn durch so was zu ruinieren. Dafür bin ich inzwischen zu lange bei dem Verein.«
»Herr Kullmer, ich bin ganz Ihrer Meinung«, meldete sich jetzt auch Berger zu Wort. Und an Durant gewandt, deren Miene sich versteinert hatte: »Frau Durant, fassen Sie das jetzt nicht als Kritik auf, aber Sie sollten sich nicht in etwas verrennen, was am Ende nur zu Ihrem und möglicherweise auch zum Schaden der gesamten Abteilung sein könnte. Warten wir doch einfach ab, was der heutige Abend bringt. Vielleicht ziehen wir ja ein paar ganz dicke Fische an Land, die, um ihren Kopf zu retten, wie ein Wasserfall plaudern. Wir dürfen nichts überstürzen. Außerdem haben wir alle, vor allem aber Sie, in der vergangenen Woche schon mehr erreicht, als wir überhaupt für möglich gehalten hätten. Und Ihr Informant, dieser Laskin, hat Ihnen doch auch versprochen, dass er, wenn heute Abend alles glatt über die Bühne geht, auspacken würde, oder?«
»Schon … Und Sie haben ja beide Recht«, gab Durant zu und steckte sich eine Zigarette an. »Ich glaube inzwischen auch, dass das mit Küchler und Blumenthal eine verrückte Idee war.«
Müller und Christine Güttler sowie der Einsatzleiter vom SEK kamen fast zeitgleich ins Büro. Berger sagte, es sei besser, sich ins Besprechungszimmerzurückzuziehen, da man dort ungestörter sei. Die Besprechung dauerte über eine Stunde. Man beschloss, den Einsatz mit vierzig Mann durchzuführen, davon allein dreißig vom SEK. Die Zivilfahrzeuge und die vier unauffälligen Transporter mit jeweils unterschiedlichen Firmenlogos wollte man auf der Gutleutstraße und in drei Seitenstraßen postieren, von einem Schiff aus würde man ab einundzwanzig Uhr von der andern Mainseite aus den Hof der Spedition beobachten. Die Beamten vom SEK wollte man aus Sicherheitsgründen erst kurz vor dem Start der Aktion vom eigentlichen Auftrag informieren, etwa zur gleichen Zeit wie auch die Staatsanwaltschaft. Da man nicht genau wusste, welche Route die Trucks nahmen, würden ab zwanzig Uhr an der A5 in Höhe des Nordwestkreuzes und der A3 zwischen Frankfurt-Süd und dem Frankfurter Kreuz je ein Wagen stehen, die, sobald die Trucks der Spedition gesichtet wurden, eine Meldung mit dem Wortlaut »Fließender Verkehr« durchgaben. Man war sich einig, dass bis zum Eintreffen der Trucks absolute Funkstille herrschen sollte, auch wenn man über angeblich abhörsichere Funkgeräte verfügte, die heute erstmals zum Einsatz kommen sollten. Durant hatte den Kollegen klar gemacht, dass die Gegenseite über technisch äußerst hochwertige Geräte verfügte, die vermutlich auch geeignet waren, die auf einem nur wenigen bekannten neuen Kanal geführten verschlüsselten Gespräche der Polizei doch abzuhören. Sobald die Trucks auf den Hof fuhren, würde man zusätzlich einen Bus anfordern, der die Kinder in Sicherheit bringen sollte. Man hoffte den Einsatz ohne viel Blutvergießen zu beenden, wobei diese Hoffnung sich darauf stützte, dass der Angriff für die Verbrecher völlig überraschend geführt werden würde.
Nach der Einsatzplanung begaben sich alle in ihre Büros, Berger, Müller und der Leiter des SEK
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