Das Syndikat der Spinne
Ihm war es egal. Solange die Bezahlung stimmte, übernahm er jeden Job. Der einsame Wolf war vorbereitet.
Bevor Julia Durant zurück ins Präsidium fuhr, machte sie an einer Imbissbude Halt, aß eine Currywurst mit Pommes frites und trank ein kleines Bier. Sie hatte schon viele Beerdigungen miterlebt, aber diese war zweifellos die mit den wenigsten Trauergästen gewesen. Mit ihr zusammen hatten sich nur acht Personen in der großen Halle befunden, doch Laskins Worte über Irina, über das Leben und den Tod würde sie nie vergessen, ebenso wenig wie sein Lied. Den Text hatte sie zwar nicht verstanden, aber sie wusste, es war ein Lied, das er in diesem Moment nur für Irina gesungen hatte.
Von unterwegs rief sie bei Kuhn in der Redaktion an, berichtete ihm von der Beerdigung und sagte ihm noch, wie sehr sie ihn liebe. Sie legte auf, bevor er etwas erwidern konnte.
Montag, 20.30 Uhr
Die Beamten besprachen sich ein letztes Mal, die Männer vom SEK waren bereit. Um Viertel vor neun machten sich die Wagen auf den kurzen Weg vom Präsidium zur Gutleutstraße. DieTransporter mit dem Firmenlogo eines Maler- und Lackierbetriebs, einer Autoreparaturwerkstatt, einer Delikatessenfirma und eines Teppichgroßhandels parkten in der Gutleutstraße und zwei Seitenstraßen zwischen fünfzig und zweihundert Meter von der Einfahrt zur Spedition entfernt, die anderen Fahrzeuge, zwei Lancia, ein BMW, zwei Opel und drei VW Golf ebenfalls in der Gutleutstraße und drei Seitenstraßen. Julia Durant und Frank Hellmer saßen wie immer im Lancia und warteten. Am Abend hatte es aufgeklart, nachdem den ganzen Tag über eine dichte Wolkendecke über der Stadt gehangen hatte und auch ein paar Schauer niedergegangen waren. Sie unterhielten sich über Belanglosigkeiten, doch die Anspannung war jedem von ihnen anzumerken, auch wenn keiner zugegeben hätte, unter welch enormem Druck er stand. Julia Durant rauchte eine halbe Schachtel Zigaretten innerhalb von zwei Stunden, bis um kurz vor dreiundzwanzig Uhr, die Nacht war über die Stadt hereingebrochen, der Himmel sternenklar, mehrere Fahrzeuge mit unterschiedlichen Kennzeichen durch das jetzt offene Tor der Spedition fuhren.
»Laskin hat uns also doch nicht reingelegt«, sagte Durant zu Hellmer. »Das Abholkommando ist schon vor Ort. Mal sehen, wann’s losgeht.«
Sie warteten eine weitere Stunde, bis der an der A5 postierte Wagen über Funk die Meldung »Fließender Verkehr« durchgab.
»Jetzt ist es nur noch eine Frage von ein paar Minuten«, sagte Hellmer, der noch einmal seine Pistole überprüfte und tief Luft holte.
Um null Uhr siebzehn kam der Konvoi durch den Hafentunnel, überquerte die Kreuzung, und nacheinander fuhren alle drei Trucks auf den Hof. Bevor der letzte von ihnen hineinfuhr, gab Müller den Einsatzbefehl. Ein Mitarbeiter der Spedition wollte gerade das hohe Tor schließen, als die Polizeiwagen kurz hintereinander auf das Gelände fuhren. Die als Transporter getarnten Mannschaftswagen rasten, gefolgt von sechs Zivilfahrzeugen, hinter dem letzten Truck auf den Hof, wo sie sich verteilten, die beiden andern Polizeiautos stelltensich quer vor das Tor, so dass keiner das Gelände verlassen konnte. Die Männer vom SEK sprangen aus ihren Wagen, die Gewehre im Anschlag, die Kollegen von der Mordkommission und dem OK verschanzten sich hinter den geöffneten Wagentüren, die Pistolen auf die bis eben noch ahnungslos wartenden Männer und Frauen gerichtet.
»Alles auf den Boden, die Arme ausgestreckt!«, brüllte einer der Männer vom SEK. Einer widersetzte sich dem Befehl und wollte wegrennen, wurde aber von einem gezielten Beinschuss niedergestreckt. Er schrie auf und wälzte sich vor Schmerzen auf dem Beton. Innerhalb von zwei Minuten hatten sich alle ergeben. Einige andere Beamte strömten aus, rannten in die riesige Lagerhalle, wo ihnen ein junger Arbeiter mit pickligem Gesicht, verstörtem Blick und erhobenen Armen entgegenkam.
»Wo ist der Boss?«, wurde er angeschrien.
»D-d-d-draußen«, stammelte er nur.
»Festnehmen.« Dem jungen Mann wurden Handschellen angelegt, und er wurde aus der Halle geführt.
Ein untersetzter Mittvierziger hob den Kopf vom Boden und sagte: »Was ist hier eigentlich los?«
Müller, Durant und Hellmer gingen auf ihn zu. Müller fragte: »Gehört Ihnen der Laden hier?«
»Ja, warum? Was wollen Sie eigentlich?«
»Aufstehen und aufmachen«, herrschte Müller ihn barsch an und deutete auf die Trucks.
»He, he, ganz sachte. Um was geht’s
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