Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Syndikat der Spinne

Das Syndikat der Spinne

Titel: Das Syndikat der Spinne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
Vom Netzwerk:
Frauen, die sie nicht kannte. Obgleich sie etwa fünfzig Meter entfernt neben einem Baum stand, wurde sie von Laskin doch erblickt, der auf sie zukam, ihr die Hand reichte und sagte: »Frau Durant, ich freue mich sehr, dass Sie gekommen sind. Sie brauchen nicht hier stehen zu bleiben, die Damen sind Freundinnen und Bekannte von Irina. Natascha hat sie eingeladen. Haben Sie Zeit?«
    »Ja.«
    »Dann tun Sie mir den Gefallen und nehmen Sie Abschied von Irina, auch wenn Sie sie nicht gekannt haben. Wo immer sie jetzt auch ist, sie wird uns sehen. Kommen Sie.«
    Daniel Laskin selbst hielt die Rede. Er wirkte ruhig, sprach mit eindringlicher Stimme und sagte zum Abschluss noch etwas auf Hebräisch, blickte kurz zur Decke, die Arme ausgebreitet, ging dann zu dem weißen Sarg, der über und über mit Blumen geschmückt war, berührte ihn mit beiden Händen und begann ein hebräisches Lied zu singen. Julia Durant fuhren bei Laskins Gesang eiskalte Schauer der Ergriffenheit über den Rücken, Natascha heulte sich die Seele aus dem Leib, und auch die andern fünf Frauen fingen an zu weinen. Nachdem Laskin geendet hatte, nickte er Natascha nur zu, setzte sich neben sie und wartete, dass der Sarg aus der Kapelle gefahren wurde. Durant entging nicht, dass Laskin seine Hand auf die von Natascha legte und ihre Hand auch nicht losließ, als sie hinter dem Sarg zu dem ausgehobenen Grab gingen. Am Grab sprach er noch ein paar Worte, der Sarg wurde in die Tiefe gelassen und Blumen hinterher geworfen. Nach nicht einmal einer halben Stunde war alles vorüber. Natascha und die fünf anderen jungen Frauen umarmten sich. Schließlich kam sie auf die Kommissarin zu und reichte ihrdie Hand. »Vielen Dank für alles. Daniel und ich werden jetzt gleich in ein Hotel ziehen. Nur für ein paar Tage. Wir melden uns aber bei Ihnen.«
    »Passen Sie gut auf sich auf«, sagte Durant und konnte plötzlich nicht mehr an sich halten. Sie umarmte Natascha ebenfalls, und obwohl sie sich vorgenommen hatte, nicht zu weinen, schaffte sie es nicht, die Tränen zu unterdrücken.
    »Das werde ich tun. Wir sehen uns ja noch.«
    Während die andern am Grab standen und sich unterhielten, ging Julia Durant zurück zu ihrem Wagen. Auf dem Weg dorthin wischte sie sich die Tränen weg. Sie nahm keine Notiz von dem Mann, der in Jeans, einem blauen Hemd, einer Lederjacke und einer Sonnenbrille an einem andern Grab vielleicht dreißig oder vierzig Meter entfernt stand, verdeckt von einigen Büschen und Sträuchern, durch die er hindurchsehen konnte, ohne von den andern bemerkt zu werden. In den Händen hielt er einen Strauß roter Rosen. Immer wieder wanderte sein Blick kurz zu Laskin und Natascha. Als Durant sich ihm näherte, bückte er sich, stellte die Blumen in eine Vase und sortierte sie. Sobald die Kommissarin an ihm vorbeigegangen war, sah er ihr nach, und seine schmalen Lippen bewegten sich kaum merklich. Als auch Laskin und Natascha sich auf den Heimweg machten, drehte er sich um und ging in die entgegengesetzte Richtung. Er wartete, bis sie außer Sichtweite waren, kehrte zurück, nahm die Blumen aus der Vase und begab sich zu Irinas Grab, wo zwei Arbeiter gerade damit beschäftigt waren, mit einem Bagger Erde auf den Sarg zu schütten.
    Pierre Doux machte den Männern mit einer Handbewegung ein Zeichen, kurz ihre Arbeit zu unterbrechen, blieb einen Moment vor dem Grab stehen, warf die Rosen hinein und sagte so leise, dass nur er selbst es hören konnte: »Du hast es nicht anders gewollt.« Danach begab er sich gemäßigten Schrittes zum Ausgang, vergewisserte sich, dass auch alle weggefahren waren, und setzte sich in den Mercedes, den er am Morgen am Flughafen gemietet hatte. Seine Fahrt führte ihn ins Sheraton-Hotel, wo er ein Zimmer unter dem NamenGeorge W. Baker aus Boston gebucht hatte. Er aß im Hotelrestaurant ein Steak mit Salat und trank dazu Orangensaft. Anschließend ging er auf sein Zimmer, legte sich aufs Bett und schaltete den Fernseher an. Er wartete auf einen Anruf. Das Telefon klingelte, kaum dass er sich hingelegt hatte. Er nahm ab und meldete sich mit einem knappen »Hallo«. Das Gespräch dauerte nur wenige Sekunden. Sie würden sich am frühen Abend in einer kleinen Kneipe in Sachsenhausen treffen. Dort würde er erste Instruktionen erhalten. Er beschloss noch eine Stunde zu schlafen, danach seine Übungen zu machen und zu duschen. Noch wusste er nicht, wie sein Auftrag lautete, aber es konnte sich nur um eine sehr wichtige Person handeln.

Weitere Kostenlose Bücher