Das Syndikat der Spinne
Herzschlag.
»Frank, schnell, komm hoch!«, schrie sie. »Hier stimmt wasnicht!« Und als Hellmer neben ihr stand und sich wegen des Gestanks eine Hand vor die Nase hielt, rief sie mit Tränen der Wut und der Verzweiflung: »Die sind tot. Kein Lebenszeichen mehr … Diese verdammten Drecksäue! Die holen die Kinder aus Russland oder wo immer her und lassen sie einfach wie Vieh verrecken! Die beiden sind doch höchstens fünf oder sechs! Weißt du, was ich am liebsten machen würde … Ich würde diese verdammten Kreaturen da draußen am liebsten alle abknallen! Die zwei hier sind tot, wie viele tote Kinder werden wir noch finden?«
»Komm«, sagte Hellmer ruhig und legte eine Hand auf Durants Schulter. »Du kannst hier nichts mehr machen.«
»Lass mich los, verdammt noch mal! Da draußen stehen Männer und Frauen, die … Ach, Scheiße! Das sind keine Menschen, das sind Bestien! Gottverdammte Bestien!«
»Komm raus hier, bitte, Julia. Glaubst du, mir geht es anders, wenn ich das hier sehe?«
Julia Durant zögerte erst, dann erhob sie sich und folgte Hellmer nach draußen, nicht ohne noch einmal einen Blick in das Loch zu werfen, in dem die Kinder fast einen Tag lang eingesperrt waren. Sie sprang auf den Boden und ging schnurstracks auf Schneider zu. Ihr Gesicht war nur wenige Zentimeter von seinem entfernt, sie spürte seinen Atem. Sie tippte ihm mit einem Finger kräftig an eine Stelle direkt unter dem Schlüsselbein, wo es besonders wehtat. Er zuckte zusammen, ohne jedoch etwas zu sagen.
»Sie werden in Ihrem ganzen gottverdammten Leben nie wieder einen Schritt aus dem Zuchthaus machen. Und jetzt öffnen Sie die andern Kabinen, aber schnell, sonst reiß ich Ihnen persönlich die Eier raus!«, zischte sie.
»Ich will meinen Anwalt sprechen«, sagte Schneider mit überheblicher Miene.
»Sie wollen Ihren Anwalt sprechen?« Julia Durant lachte höhnisch auf und stieß ihn erneut gegen die Brust, diesmal noch etwas stärker. Er fiel fast zu Boden. »Wissen Sie, wann Sie Ihren Anwalt sprechen können? Wissen Sie das?! Irgendwann morgen, nachdemwir Sie auf dem Präsidium auseinander genommen haben! Und ich schwöre Ihnen, auch der beste Anwalt der Welt wird Ihnen nicht mehr helfen können, Sie verkommenes Stück Dreck! Und jetzt aufmachen!«
Im zweiten und dritten Truck das gleiche Bild, der gleiche fast unerträgliche Gestank, die gleichen ängstlichen Gesichter, bleich und noch benommen von dem Schlafmittel, das man ihnen vor der Reise gegeben hatte. Insgesamt wurden einundneunzig Kinder befreit, neun waren tot, ob erstickt oder an einer Überdosis Barbituraten gestorben, das würde erst die Obduktion ergeben.
Sechsundzwanzig Personen, zwanzig Männer und sechs Frauen, wurden verhaftet und in Handschellen aufs Präsidium gebracht. Die Autos, die Trucks und das Containerschiff wurden beschlagnahmt, die Lagerhalle versiegelt und von schwer bewaffneten SEK-Beamten bewacht. Vier der neun Autos kamen aus der Schweiz, aus Belgien, Luxemburg und Frankreich, die andern aus Frankfurt beziehungsweise der näheren Umgebung. Das Schiff war in Holland registriert und sollte laut Papieren eine Ladung elektronischer Geräte nach Rotterdam bringen. Im Laufe der folgenden zwei Stunden wurden außerdem mehrere Zöllner und Polizisten an der deutschpolnischen Grenze sowie einige Beamte der Zollbehörde Frankfurt festgenommen, wobei zwei von ihnen in Schlafanzügen aufs Revier gebracht wurden.
Um drei Uhr morgens hatte man zweihundert Kilo reines Heroin und Kokain beschlagnahmt. Der Gesamtwert belief sich nach ersten Schätzungen auf hundertfünfzig bis zweihundert Millionen Dollar, genau wie Laskin gesagt hatte.
Julia Durant war müde, die Festgenommenen wurden in die kleinen engen Zellen im Präsidium gesteckt, die Vernehmung würde man am Vormittag durchführen. Sie zitterte noch immer, zündete sich mit fahrigen Fingern eine Gauloise an und setzte sich hinter ihren Schreibtisch. Sie legte den Kopf in den Nacken, ihre Gedanken kreisten unaufhörlich um das, was sie gesehen und erlebt hatte, als die Tür aufging und Küchler hereinkam.
»Frau Durant, ich wollte Ihnen nur herzlich zu diesem großen Fang gratulieren. Ich war bereits bei Herrn Berger und Herrn Müller, die mir jedoch sagten, dass Sie im Wesentlichen dafür verantwortlich sind, dass wir endlich einmal einen wirklich großen Erfolg zu verzeichnen haben. Meine Hochachtung.«
»Danke«, erwiderte sie mit einem gequälten Lächeln. »Was führt Sie denn so spät
Weitere Kostenlose Bücher