Das Syndikat der Spinne
dann Natascha an, die seinen Blick mit einem Lächeln erwiderte und ihn mit einem kaum merklichen Nicken ermunterte, weiterzureden.
Doch bevor er etwas sagen konnte, fragte Durant: »Und warum erzählen Sie mir diese Geschichte jetzt? Weil Irina tot ist? Oder haben Sie plötzlich keine Angst mehr?« Sie konnte sich einen leicht ironischen Unterton nicht verkneifen, auf den Laskin jedoch nicht einging.
Er lächelte versonnen und antwortete: »Es hat mehrere Gründe. Einer ist sicherlich der Tod von Irina. Nein«, korrigierte er sich, »Irinas Tod ist der Hauptgrund. Ich habe mich von Anfang an gefragt, warum sie sterben musste. Ich habe erst keine Antwort darauf gefunden, habe aber angefangen zu recherchieren. Die Einzelheiten will ich Ihnen ersparen, nur so viel, ich habe herausgefunden, dass ein gewisser Pierre Doux – den Namen kennen Sie ja – an den Tagen,an denen Herr Wiesner, Irina, Frau Maric und die Familie Andrejew ermordet wurden, sich in Frankfurt aufgehalten hat.«
»Wie haben Sie das herausgefunden?«, hakte Durant neugierig und gespannt nach.
Laskin lächelte wieder und zuckte mit den Schultern. »Ich habe mich in die Computer der verschiedenen Fluglinien und Hotels in Frankfurt eingeloggt und … Jedenfalls habe ich am Samstag mit einer Angestellten eines großen Hotels gesprochen und sie über diesen Pierre Doux ausgefragt. Sie hat ihn mir beschrieben, aber die Beschreibung könnte auf tausende von Männern zutreffen. Deshalb habe ich mit ihrer Hilfe ein Phantombild von ihm angefertigt, das ich kurz darauf Natascha gezeigt habe.«
Er öffnete die dritte Flasche Bier, schenkte sich aber noch nicht ein.
»Doch ich muss noch einmal ein paar Jahre zurückgehen. Als ich fünfzehn war, hatte ich einen Freund in Israel, und unsere Wege haben sich erst getrennt, als ich zum Mossad kam. Ich habe viele Jahre nichts von ihm gehört, ich wusste nicht einmal, wo er sich aufhält.
Vor gut fünf Jahren habe ich dann Irina und Natascha kennen gelernt, wobei sich die ganze Sache etwas unglücklich entwickelt hat. Irina hat sich in mich verliebt, Natascha hatte keine Lust auf eine feste Beziehung, zumindest habe ich das vermutet, obgleich sie von jemand anderem umworben wurde, und ich wollte Irina nicht enttäuschen, obwohl ich von Anfang an mehr für Natascha als für Irina empfunden habe. Aber ich habe es Irina nie gezeigt, denn ich mochte sie nicht verletzen. Eines Tages ist mein Freund aus der Jugendzeit aufgetaucht und hat angefangen, Irina zu umwerben, aber sie hat ihn abblitzen lassen. Er hat es fast ein Jahr lang immer wieder probiert, hat Irina sogar einmal für ein ganzes Wochenende gebucht, ohne dass sie Ahnung davon hatte, dass der Kunde, der im Voraus bezahlt hatte, eben mein Freund und ihr leidenschaftlicher Verehrer war. Irina ist zu ihm ins Hotel gefahren, hat sich eine Weile mit ihm unterhalten und ihm zu erklären versucht, dass er sich keine Hoffnungen zu machen brauche, und ist wieder nach Hause gekommen,denn zu dem Zeitpunkt waren Irina und ich schon zusammen. Nun ja, er muss wohl gemerkt haben, wie ernst es Irina war, und irgendwann war er weg. Ich weiß bis heute nicht, wo er lebt. Aber ich weiß jetzt, dass er der Mörder von Irina und den andern ist und dass er sich unter anderem Pierre Doux nennt, doch sein richtiger Name ist Rachmiel Jakobi, mein alter Freund. Ein Freund, der jetzt als Auftragskiller vermutlich für verschiedene Organisationen arbeitet.«
»Und Sie meinen wirklich, Ihr Freund Jakobi ist Doux? Ich denke, er hat Irina geliebt. Warum sollte er sie dann umgebracht haben?«, fragte Durant zweifelnd. »Warum hätte er das tun sollen?«
»Weil sie seine Liebe nicht erwidert hat, und das hat er offensichtlich nie verwunden. Einen Rachmiel Jakobi weist man nicht zurück. Und ich weiß noch von früher, wie jähzornig Rachmiel werden konnte, wenn etwas nicht nach seinem Kopf ging. Einmal hat er einen andern Jungen krankenhausreif geschlagen, weil der sein Mädchen nur angeguckt hatte. Rachmiel war ein guter Freund, aber er verfügte schon damals über ein sehr hohes Gewaltpotenzial. Vermutlich hat er es mittlerweile kanalisiert und setzt dieses Potenzial sehr gezielt ein.
Und ich habe auch eine Hypothese, wie sich der Mord an Wiesner und Irina abgespielt haben könnte. Wiesner sollte sowieso umgebracht werden, vermutlich, weil er aussteigen wollte. Also hat man einen Auftragskiller angeheuert, der sich aber nie als solcher zu erkennen gibt. Da ich eine Ahnung davon habe,
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