Das Syndikat der Spinne
Ihre Arbeit schon seit langem. Und ich hoffe, Sie bleiben uns noch recht lange erhalten. Rufen Sie mich an, damit wir das alles so schnell wie möglich hinter uns bringen.«
Julia Durant schloss die bereits geöffnete Tür wieder. Sie überlegte einen Moment und sagte dann: »Dr. Küchler, Sie wissen ja von dem Aktenkoffer, der bei Frau Wiesner beschlagnahmt wurde.«
»Ja, aber nur das, was beim Verhör protokolliert wurde«, erwiderte er. »Geht es um die verschwundenen Unterlagen?«
»Ja. Wie Sie wissen, hat Frau Wiesner ihn mitgenommen, nachdem sie ihren Schwager getötet hat. Darin muss sich äußerst brisantes Material befunden haben, doch bevor sie sich näher damit beschäftigen konnte, wurde sie verhaftet. Sie schwört Stein und Bein, alles in den Koffer zurückgelegt zu haben, sie hat mir sogar die Sachenim Detail beschrieben. Das steht allerdings nicht im Protokoll, weil sie diese Aussage in der Zelle gemacht hat. Wir fragen uns die ganze Zeit schon, wo das Material abgeblieben sein könnte.«
Küchler verengte die Augen zu Schlitzen und sagte: »Moment mal, Sie haben Frau Wiesner verhört und nicht alles auf Band mitgeschnitten? Das ist gegen jede Regel, das ist Ihnen doch klar?«
»Ich konnte es nicht mitschneiden, weil ich ihr die Fragen nach dem Kofferinhalt in der Zelle gestellt habe.«
»Und was wollen Sie mir jetzt genau damit sagen?«, fragte Küchler mit auf einmal etwas angehobener Stimme.
»Dr. Küchler, es tut mir Leid, wenn ich mich nicht ganz an die Vorschriften gehalten habe, aber … Nein, lassen wir das. Die Frage ist doch: Warum existiert jetzt nur noch ein halb voller Aktenkoffer. Wo sind die Unterlagen und der Terminplaner von Wiesner gelandet? Wir haben die Männer vom KDD verhört, die Frau Wiesner verhaftet haben, aber sie beteuern, den Koffer nicht angerührt zu haben. Alle bestätigen zudem, dass der Koffer allerdings auch eine ganze Weile unbeaufsichtigt war. Aber nach dem, was Sie mir von Dr. Blumenthal erzählt haben, könnte ich mir vorstellen, dass …«
»Moment, allmählich kann ich Ihnen folgen. Sie meinen also, es könnte sein, dass Blumenthal jetzt im Besitz der Unterlagen ist. Habe ich Sie da recht verstanden?«
»Es ist immerhin eine Möglichkeit«, erwiderte Durant vorsichtig.
Küchler kaute auf der Unterlippe und blickte zu Boden.
»Und da ist noch etwas«, sagte Durant, »und das habe ich bereits am Samstag angesprochen. Der Anruf ging bei der Einsatzzentrale um zwei Uhr sechsundvierzig ein. Aber bereits um drei Uhr zehn wurde Frau Wiesner verhaftet. Es ist unmöglich, in der kurzen Zeit von Frankfurt nach Glashütten zu fahren.« Küchler wollte sie unterbrechen, doch Durant hob die Hand und fuhr fort: »Frau Wiesner hat mir bei unserem Gespräch in der Zelle gesagt, dass sie bereits um etwa Viertel nach zwei einen Wagen auf der gegenüberliegenden Straßenseite parken sah. Es haben sich mehrere Personen in dem Wagen aufgehalten. Das hat sie gesehen, als sich einer von ihneneine Zigarette angezündet hat. Es waren die Männer, die sie dann später verhaftet haben, einer von ihnen hat es mir gegenüber zugegeben. Doch weder er noch sein Vorgesetzter weiß, von wem genau die Anweisung kam.«
Küchler fasste sich an die Nase und schüttelte den Kopf. Er ging zum Fenster und sah hinaus, die Hände in den Hosentaschen vergraben. Nach einer Weile des Nachdenkens drehte er sich um und sagte: »Also gut, gehen wir davon aus, dass Blumenthal die Unterlagen hat, dass die ganze Aktion von Blumenthal in Szene gesetzt wurde. Er hätte es doch auch einfacher haben können, indem er jemanden zu Frau Wiesner schickt, der sich als Beamter ausgibt, sie umbringt und die Sachen mitgehen lässt …«
»Das wäre viel zu auffällig. Dann hätte er die Medien am Hals, und die würden sich so in die Sache verbeißen … Nein, das könnte ein Mann wie Blumenthal nicht vertragen. Die cleverste Methode ist doch, Frau Wiesner als Sündenbock zu nehmen, sie in den Mittelpunkt des Interesses zu stellen, und die Morde und alles Weitere wären damit nur noch nebensächlich. Und die Anweisung, dass ich mich ausschließlich auf Frau Wiesner konzentrieren soll, kommt doch auch von Dr. Blumenthal.«
»Ja, das stimmt allerdings. Allmählich werden mir jetzt einige Dinge immer klarer.«
»Das Einzige«, sagte Durant, »was bei der Verhaftung von Frau Wiesner nicht stimmte, war das Timing. Wahrscheinlich hat der anonyme Anrufer sich in der Zeit vertan oder geglaubt, wir würden nicht darauf
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