Das Syndikat der Spinne
für zwanzig Millionen bekommen Sie eine ganze Menge dieser Uhren. Ein wenig kenne ich mich in der Materie schon aus, auch was die Preise angeht. Eine wirklich gute Rolex kriegen Sie nicht unter zwanzigtausend Mark. Das heißt, für zwanzig Millionen erhalten Sie tausend Uhren. Und es ist äußerst ungewöhnlich, dass jemand auf einmal so viele Uhren haben will.«
»Und ist dieser Deal zustande gekommen?«
»Da fragen Sie mich zu viel. Wir haben nicht mehr darüber gesprochen. Aber ich habe einen Namen und eine Adresse, wo man Ihnen unter Umständen weiterhelfen kann.«
»Es war also noch jemand in diesen Deal eingeweiht?«
»Nun, mein Mann verkauft zwar auch Uhren, doch im Wesentlichen konzentriert er sich auf Diamanten, den Einkauf, den Schliff, die Einpassung und natürlich den Verkauf. Deshalb ist er auch des Öfteren in Antwerpen an der Diamantenbörse. Er hatte bis vor gut einem Jahr eine Mitarbeiterin, die sich aber selbstständig gemacht hat, das heißt, sie hat ein eigenes Juweliergeschäft eröffnet, wobeisie sich hauptsächlich auf Goldschmuck und Uhren spezialisiert hat. Sie kennt alle möglichen Quellen, wo man bestimmte Produkte besonders preisgünstig beziehen kann. Ich nehme an, dass mein Mann sich an sie gewendet hat, denn die beiden sind nicht im Streit auseinander gegangen.«
Julia Durant und auch Hellmer fiel auf, dass Ramona Wiesner zum Teil im Präsens sprach, so als würde ihr Mann noch leben, dann aber wieder in der Vergangenheit. Sie sagten jedoch nichts, denn sie hatten so etwas nicht nur einmal bei Hinterbliebenen bemerkt, deren Angehörige erst seit kurzer Zeit tot waren.
»Dieser Kunde – hat Ihr Mann Ihnen gegenüber seinen Namen erwähnt?«
»Nein, er hat nur erzählt, es handle sich um einen Russen oder Osteuropäer und dass derjenige es sehr eilig habe, die Ware zu bekommen. Und sobald sie sich einig seien, würde der Kunde das Geld überweisen.«
»Sie wissen aber nicht, ob die zwanzig Millionen bei ihm eingetroffen sind, oder?«
»Nein, wie gesagt, wir haben nicht mehr darüber gesprochen. Aber ich kann es mir irgendwie nicht vorstellen, denn zwanzig Millionen sind kein Pappenstiel und … Nein, ich weiß es nicht.«
Durant und Hellmer warfen sich einen kurzen, aber eindeutigen Blick zu.
»Angenommen, der Deal ist zustande gekommen …«, die Kommissarin hielt kurz inne und sortierte ihre Gedanken, »… dann hat Ihr Mann doch sicher versucht die Uhren so preisgünstig wie möglich einzukaufen, um den größten Profit herauszuschlagen.«
»Natürlich. Und der Kunde weiß das auch. Deshalb will er dann anstelle der sagen wir tausend Uhren elfhundert haben, und den Rest des Geldes kann der Verkäufer, in dem Fall mein Mann, behalten, denn der Kunde geht ja davon aus, dass der Verkäufer die Ware zu einem sehr günstigen Einkaufspreis erwirbt und immer noch genügend für ihn abfällt.«
»Aber wie so ein Deal funktioniert, wissen Sie nicht.«
»Nein. Mein Mann hatte zahllose Kontakte weltweit, und wie solche Geschäfte genau abgewickelt werden, kann ich nicht sagen. Tut mir Leid. Da müssen Sie wirklich Frau Maric fragen.«
»Die ehemalige Mitarbeiterin Ihres Mannes?«
»Ja. Helena Maric. Ich gebe Ihnen nachher die Adresse und Telefonnummer. Sie ist ganz nett und wird Ihnen sicher weiterhelfen können.«
»Der Name hört sich nicht gerade deutsch an«, meldete sich Hellmer zum ersten Mal an diesem Vormittag zu Wort.
»Sie ist eine gebürtige Jugoslawin, lebt aber schon seit ihrer frühesten Jugend in Deutschland. Sie war etliche Male hier bei uns zu Gast, eine eher ruhige, zurückhaltende Frau, mit der mein Mann zwar ganz gut zurechtkam, aber ich konnte nicht viel mit ihr anfangen. Doch das hat nichts zu bedeuten, denn mir wird nachgesagt, sehr wählerisch zu sein, was die Auswahl meiner Freunde und Bekannten angeht. Manche behaupten sogar, ich sei arrogant.«
»Den Eindruck machen Sie eigentlich nicht auf mich.«
»Danke, aber Sie brauchen nicht höflich zu sein.«
»Das hat nichts mit Höflichkeit zu tun, ich meine das ernst. Ich bin nämlich genauso, wie Ihnen mein Kollege sicher gern bestätigen wird. Aber lassen Sie uns wieder auf Ihren Mann zurückkommen. Im Wesentlichen war er, wenn ich es richtig verstanden habe, ein absoluter Kenner der Diamantenszene?«
Ramona Wiesner lächelte dezent und antwortete: »Es gibt in Deutschland nur sehr, sehr wenige Personen, die so viel über Diamanten wissen wie mein Mann. Vor allem seine Werkstatt ist in Fachkreisen
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