Das Syndikat der Spinne
möchte einfach nur schlafen.«
»Aus dir soll einer schlau werden«, sagte Kuhn, ging zu ihr undumarmte sie. »Auf der einen Seite bist du unwahrscheinlich intuitiv veranlagt, und auf der anderen Seite glaubst du nur das, was du mit deinen fünf Sinnen wahrnimmst.«
Sie löste sich aus der Umarmung und sah ihn vorwurfsvoll an. »Willst du dich mit mir anlegen? Hör zu, ich bin heute nicht in bester Stimmung und habe keine Lust, mich auf lange Diskussionen, was meine Intuition und meine fünf Sinne betrifft, einzulassen. Ich geh jetzt ins Bett, und wenn du willst, kannst du mitkommen.«
»Mein Gott, darf ich denn nicht mal meine Meinung sagen, ohne dass du gleich eingeschnappt bist? Julia, bitte …«
»Was?«, fragte sie schnippisch zurück.
»Es hat wohl keinen Zweck«, meinte Kuhn kopfschüttelnd. »Soll ich zu mir fahren?«
»Mach doch, was du willst«, erwiderte sie und ging ins Schlafzimmer.
Er kam ihr nach, blieb jedoch in der Tür stehen. »In Ordnung, dann schlaf gut. Und ruf mich an, wenn’s dir besser geht.«
»Oh, bist du jetzt etwa eingeschnappt?« Sie sah ihn einen Moment lang mit diesem ihr eigenen spöttischen Blick an und sagte dann mit versöhnlicher Stimme: »Bleib hier, bitte. Ich weiß, ich bin ziemlich launisch. Entschuldige.«
Kuhn atmete tief durch, begab sich schweigend zum Bett, zog sich aus und legte sich hin. Während Julia Durant längst schlief, war er noch lange wach und dachte nach.
Dienstag, 8.00 Uhr
Polizeipräsidium. Berger hatte nur ein kurzärmliges Hemd an, dessen beide obersten Knöpfe offen standen, Hellmer und Kullmer waren noch nicht da, als Julia Durant das Büro betrat.
»Morgen«, murmelte sie, warf einen kurzen Blick auf ihrenSchreibtisch, auf dem es nach wie vor chaotisch aussah, und ging dann zu ihrem Chef.
»Schon lange da?«, fragte sie, obgleich sie wusste, wie überflüssig diese Frage war, denn Berger kam selten nach sieben ins Büro.
»Halb sieben«, antwortete er. »Bei dieser verfluchten Hitze kann ja kein Mensch richtig schlafen. Ich hab’s heute Nacht im Wohnzimmer versucht, aber … Was soll’s, hier, ein Mord in Preungesheim. Eine Sechsundachtzigjährige. Lesen Sie selbst.« Er reichte eine Akte mit zwei Blättern und ein paar Fotos über den Tisch, Julia Durant las und betrachtete die Bilder.
»Scheiße. Diese Kerle machen vor nichts mehr Halt. Wer findet Freude daran, eine alte Frau so zu quälen?«
»Meinen Sie die Vergewaltigung, oder meinen Sie die Schläge und Messerstiche?«, fragte Berger zurück.
»Beides. Und keine Spur von dem oder den Tätern?«
»Null, nada, niente. Aber Sie brauchen sich um den Fall nicht zu kümmern. Ich habe schon veranlasst, dass andere Kollegen das übernehmen. Sie haben im Augenblick Wichtigeres zu tun.«
Hellmer kam herein, gefolgt von Kullmer. Sie überflogen ebenfalls die Akte, gaben ein paar Kommentare ab und setzten sich.
»Wie schaut Ihr Tag heute aus?«, fragte Berger und sah Durant an.
»Als Allererstes sollten wir diese Maric beschatten lassen. Zwei Kollegen sollen sich unauffällig in der Nähe ihres Geschäfts aufhalten und uns am Abend berichten, ob sich irgendwas Besonderes getan hat. Sie sollen auch Fotos schießen von jedem, der ihren Laden betritt und wieder verlässt. Es ist immerhin einen Versuch wert. Und morgen werde ich mir die Dame noch einmal ganz persönlich vornehmen. Und zwar allein.«
»Sie halten es also tatsächlich für möglich, dass sie etwas weiß.«
»Ich halte es nicht nur für möglich, ich bin mir sicher. Außerdem gibt es noch etwas, worauf mich gestern Abend jemand gestoßen hat«, sagte sie und zündete sich eine Zigarette an.
Berger zog die Stirn in Falten, Hellmer und Kullmer sahen sie erwartungsvollan. Sie registrierte es mit Genugtuung, bevor sie fortfuhr: »Möglicherweise haben wir es bei Wiesner mit organisiertem Verbrechen zu tun …«
»Stopp«, wurde sie von Berger unterbrochen. »Wie kommen Sie darauf?«
»Der Uhrendeal …«
»Von dem wir noch überhaupt nicht wissen, ob er jemals zustande gekommen ist …«
»Der Uhrendeal«, sagte sie diesmal etwas schärfer, »die mysteriösen Umstände, unter denen Wiesner und die Puschkin umgebracht wurden – es sollte ja alles nach Mord und Selbstmord aussehen –, das seltsame Verhalten von Helena Maric, dazu die Aussagen von Frau Wiesner …«
»Jetzt rücken Sie schon damit raus«, unterbrach sie Berger, »wie Sie ausgerechnet auf organisiertes Verbrechen kommen?«
»Kann mal einer die
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