Das Syndikat der Spinne
sind. Es tut mir Leid, das sagen zu müssen, aber was glaubst du, wie viele von euch sich schmieren lassen, angefangen beim kleinen Streifenpolizisten bis in die oberste Etage. Es ist ein Drecksgeschäft, das schon lange nicht mehr zu kontrollieren oder gar zu bekämpfen ist. Es gibt eine bestimmte Gruppe, die es kontrolliert, und diejenigen, die wirklich etwas dagegen unternehmen möchten, haben keine Chance. Man kann kleine kriminelle Zellen zerschlagen, aber an die Großen kommt keiner ran. Schon längst nicht mehr. Und wisst ihr auch, warum? Weil die Großen mitten unter uns sind, Aufsichtsratsvorsitzende, Topmanager, Unternehmer, Politiker, von denen wir viele kennen, von denen wir aber niemals vermuten würden, dass ausgerechnet sie in derart schmutzige Geschäfte verwickelt sind. Doch wenn du dir anschaust, in was für Prachtbauten manche unserer Politiker leben, und dann die Diäten gegenüberstellst, die niemals so viel ausmachen, wie ein Topmanager verdient, dann bekommst du schon eine Ahnung.« Er schloss erneut für Sekunden die Augen und schüttelte den Kopf. »Aber die wirklich Großen bleiben in der Regel völlig im Hintergrund. Sie treten niemals in Erscheinung, und keiner weiß, wer sie wirklich sind.Und noch was: Wiesner wurde mit Sicherheit von einem Auftragskiller erledigt. Mehr hab ich dazu nicht zu sagen.«
»Augenblick.« Durant versuchte so gelassen wie möglich zu bleiben. »Du hast eben von einer bestimmten Gruppe gesprochen, die alles kontrolliert. Was meinst du damit?«
»Ganz einfach, die mafiosen Strukturen wie vor zehn oder mehr Jahren existieren nicht mehr. Finito. Wir kennen zwar immer noch die Begriffe Mafia, Camorra, Cosa Nostra, Drogenkartell, Yakuza, Triaden und so weiter, und diese Begriffe haben auch noch Gültigkeit, aber diese Gruppen verschmelzen immer mehr miteinander oder wie’s so schön im Wirtschaftsjargon heißt, sie fusionieren. Sie kooperieren, und wenn du irgendetwas von Bandenkriegen der einzelnen Gruppen hörst oder liest, dann betrifft das in der Regel die unteren Abteilungen, die ihre Fehden mit Gewalt austragen. Das sind irgendwelche Zuhälter, die sich nicht grün sind, oder Dealer. Die ganz oben, die vertragen sich. Sieh es von mir aus wie eine Weltherrschaft, gegen die keiner etwas tun kann. Oder nimm einfach den Begriff Weltverschwörung. Denn damit haben wir es hier eigentlich zu tun. Und der Trick dabei ist, dass der normale Bürger nichts davon mitbekommt. Wir hören von Kriegen in Tschetschenien oder in Nahost oder irgendwo sonst auf der Welt und denken, naiv, wie wir sind, dass es hier um reine Politik geht. In Wahrheit stecken ausschließlich wirtschaftliche Interessen dahinter. Und die Politiker sind entweder nur Marionetten in den Händen einiger Männer und Frauen, von denen jeder Einzelne weitaus mächtiger ist als der so genannte mächtigste Mann der Welt, oder sie gehören selbst zu den Mafiagrößen. Putin ist das beste Beispiel für eine Marionette; ein paar Finanzoligarchen, deren Namen keiner kennt, halten die Fäden, und Putin springt und sagt genau das, was ihm in den Mund gelegt wird.«
Schulze schüttelte den Kopf, ein kaum merkliches Lächeln umspielte seinen Mund.
»Ich habe mich das erste Mal vor etwa vier oder fünf Jahren mit der Theorie einer Weltverschwörung auseinander gesetzt. DiesesThema hat mich seitdem nicht mehr losgelassen. Und je weiter ich in den Dschungel vorgedrungen bin, desto überzeugter wurde ich von dieser Theorie, die für mich schon längst keine mehr ist.«
»Ach komm, das geht mir doch ein bisschen zu weit«, erwiderte Julia Durant mit einem vergebenden Lächeln. »Weltverschwörung! Wie sich das anhört.«
Schulze machte ein ernstes Gesicht und sah sie nachdenklich an. Er kaute auf der Unterlippe, zog eine Zigarette aus seiner Schachtel, und klopfte damit auf den Tisch. »Weißt du, bis vor fünf Jahren hätte ich das auch als Blödsinn abgetan.« Er seufzte. »Doch nach alldem, was ich erfahren habe, ist es für mich kein Blödsinn mehr. Wir dürfen die Augen nicht länger vor der Wirklichkeit verschließen. Aber ich werde natürlich nichts darüber schreiben, denn jeder würde mich für verrückt erklären, einschließlich meines Chefs. Trotzdem stimmt es. Doch ich will euch nicht damit langweilen. Und ich sollte jetzt auch besser gehen, denn ich habe einen verdammt harten Tag hinter mir, und meine Frau wartet schon auf mich. Ich hab sie in der letzten Zeit sowieso viel zu wenig gesehen. Und meine
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