Das Syndikat der Spinne
die Adresse und Telefonnummer. Sie hat sehr gute Beziehungen.«
»Hört sich nicht schlecht an«, sagte Thomas Wiesner, nahm denZettel, auf dem die Adresse und die Telefonnummer von Helena Maric standen, und warf einen Blick darauf. »Ich ruf gleich morgen früh mal bei ihr an. Danke für den Tipp.«
Thomas Wiesner ging zu seinem Wagen, stieg ein, startete den Motor und fuhr los. Ramona Wiesner sah ihm nach, begab sich dann zurück ins Haus und setzte sich auf die Couch. Sie machte ein nachdenkliches Gesicht. Nach wenigen Augenblicken stand sie auf und trat auf die Terrasse. Mit einem Mal drehte sie sich um, schloss die Terrassentür, nahm die Schlüssel vom Tisch und ging durch den Keller in die Garage. Sie würde den Besuch bei ihren Eltern und den Kindern kürzer ausfallen lassen als geplant. In ihr keimte plötzlich ein beinahe perfider Gedanke. Sie lenkte den Mercedes aus der Garage, deren Tor automatisch zuging, und fuhr die Straße Richtung Königstein und dann weiter nach Kronberg, wo sie von ihren Eltern und vor allem ihren Kindern schon erwartet wurde. Sie blieb knapp zwei Stunden und sagte den Kindern, sie würde sie nächste Woche wieder nach Hause holen.
Dienstag, 19.00 Uhr
Natascha trug jetzt eine Jeans und ein weites T-Shirt, als Julia Durant und Frank Hellmer bei ihr erschienen. Außerdem war sie barfuß. Sie hatte sehr schmale, anmutige Füße, deren Zehennägel in einem hellen Rot lackiert waren.
»Hallo, kommen Sie rein, Daniel ist noch nicht da. Er wollte ja auch erst gegen acht hier sein. Möchten Sie etwas trinken? Ich habe allerdings nur Wasser und Cola.«
»Zu einer Cola sag ich nicht Nein«, meinte die Kommissarin, und Hellmer fügte hinzu: »Für mich bitte auch.«
Natascha verschwand in der Küche und kehrte kurz darauf mit einer Flasche Cola und drei Gläsern zurück. Sie schenkte ein und setzte sich den Kommissaren gegenüber.
»Und wie fühlen Sie sich jetzt?«, fragte Durant.
»Es geht. Ich habe schon so viel Mist erlebt, mich kann eigentlich nichts mehr erschüttern. Ich werde mich daran gewöhnen müssen, ohne meine Freundin auszukommen. Sie hätte nicht gewollt, dass ich lange trauere. Aber ich werde oft an sie denken. Sie war eine tolle Frau. Doch es scheint so, als ob sie irgendjemandem im Weg gestanden oder irgendetwas gewusst hat, was denjenigen belasten könnte, auch wenn sie mit mir nie über Dinge gesprochen hat, die … Ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll. Und wir haben uns eigentlich immer über alles unterhalten. Deshalb kommt mir, wenn ich genau darüber nachdenke, ihr Tod noch sinnloser vor. Ich weiß, dass sie nichts verbrochen hat, ich hätte es gespürt, aber irgendein verfluchtes Schwein wollte sie aus dem Weg haben. Und ich will wissen, wer das ist«, sagte Natascha mit entschlossenem Blick.
»Meinen Sie, Herr Laskin könnte uns weiterhelfen?«, fragte Hellmer, nachdem er einen Schluck getrunken hatte.
Natascha zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Sie wurde hier in Frankfurt umgebracht, und er lebt in Köln. Ich glaube es eher nicht.«
»Er wusste doch aber, dass Irina eine Prostituierte war, oder?«
»Natürlich, wie hätte sie es ihm auch verheimlichen können. Sie haben sich sogar auf diesem Weg kennen gelernt.«
»Und er war damit einverstanden? Ich meine, er wollte sie heiraten und hat es geduldet, dass sie weiterhin in diesem Gewerbe arbeitet?«
Natascha nickte und lächelte. »Schauen Sie, Irina war achtundzwanzig, und wir hatten beide vor, in spätestens zwei Jahren auszusteigen. Dann wollten sie und Daniel auf Teneriffa ein Restaurant aufmachen. Sie müssen wissen, Irina konnte ausgezeichnet kochen. Sie hat sehr viel von ihrer Mutter und Großmutter gelernt, und sie hat mich sogar gefragt, ob ich nicht mitkommen will. Irina hat ’ne Menge gespart, obwohl sie jeden Monat zweitausend Mark an ihre Eltern und Geschwister geschickt hat. Sie hat fast eine halbe Million auf dem Konto, und Daniel ist auch nicht arm. Sie hätten es geschafft.Und Irina hat ja nicht mit jedem geschlafen, sondern nur mit Männern, die sich eine Frau wie sie leisten konnten.«
»Und Sie?«
»Was meinen Sie?«, fragte Natascha und beugte sich nach vorn, die Hände gefaltet.
»Wie sieht es bei Ihnen mit den Männern aus? Genau wie bei Irina?«
Sie nickte. »Ja. Ich habe Ihnen das zum Teil ja schon heute Mittag erzählt. Wir haben Stammkunden, die uns häufig für einen Tag bis zu einer Woche buchen. Darunter sind auch welche, die gar nicht mit uns schlafen
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