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Das Syndikat

Das Syndikat

Titel: Das Syndikat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fran Ray
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fürchtete sie sich davor, dass Michael da sein könnte. Sie wusste nicht, was sie ihm sagen sollte, wie sie ihm jetzt begegnen sollte. Und ihm, ihm ging es wahrscheinlich genauso. Aber Michael war nicht da, und schließlich musste sie einsehen, dass es so besser war.
    Als Erstes gab sie Gibbs von dem Hundefutter, das sie unterwegs gekauft hatte, dann duschte sie, zog frische Sachen an und ging ins Wohnzimmer. Dort fand sie ihn. Den Brief.
    Er lag auf dem Esstisch, ein Kuvert mit Michaels Schrift. Karen stand darauf, geschrieben in seiner energischen, entschlossenen Art. Und was schreibst du, Michael? Dass du mich inzwischen wirklich hasst?
    Zuerst wollte sie ihn nicht öffnen, sie ließ ihn liegen, aber als sie aus der Küche zurückkam, lag er natürlich immer noch da.
    Gibbs saß neben dem Tisch und bellte. »Okay«, sagte sie, »ich hab’s verstanden.« Sie riss ihn mit den Fingernägeln auf.
    Liebe Karen,
    ich schreibe dir, weil ich dich offensichtlich telefonisch nicht mehr erreichen kann. Leider konnte ich dich nicht davon abhalten, dich mit den Umständen von Davids Tod zu beschäftigen und dich damit womöglich in Gefahr zu begeben. So kann ich nur hoffen, dass es dir gut geht.
    Ich möchte dir mitteilen, dass ich für vier Wochen nach Malta gereist bin. Es gibt dort ein paar Aufträge für mich, und ich will über vieles nachdenken. Mir ist nicht entgangen, dass du dich immer weiter entfernt hast von mir, ich habe es aber nicht wahrhaben wollen und stets Entschuldigungen für dich gefunden. In den letzten Tagen ist mir klar geworden, dass ich mich damals nur in einen Teil der Frau verliebt hatte, die ich dann geheiratet habe. Den anderen Teil, den depressiven, egoistischen und verschlossenen Teil, habe ich nie sehen wollen. Deine Tablettensucht und deinen Alkoholkonsum habe ich mit deinen Erlebnissen in den Kriegsgebieten erklärt, aber inzwischen glaube ich, dass du vor etwas anderem wegläufst. Ich weiß nicht, wovor, denn du hast ja über das, was dich beschäftigt, kaum mit mir gesprochen. All die Jahre war ich sicher, dass ich dich liebe, aber heute weiß ich, ich habe mir etwas vorgemacht. Ich habe mich in ein Wunschbild verliebt, dem du nie entsprechen konntest. Zuletzt habe ich gehofft, dass, wenn du deinen Job aufgibst, wir wieder zusammenfinden, aber auch das hätte nicht funktioniert.
    Dennoch danke ich dir für die Zeit, die wir miteinander verbracht haben, es gab ja auch schöne, intensive Augenblicke, in denen alles möglich schien.
    Wenn du mir schreiben willst, dann bitte postlagernd: Valletta VLT 2000 Malta.
    Ich melde mich, sobald ich zurück bin, um alles Weitere mit dir zu besprechen.
    Michael
    Kein Gruß. Kein Lebewohl. Sie ersparte es sich, den Brief noch einmal zu lesen. Jedes Wort hatte sich schon mit scharfen Krallen in ihre Seele geritzt. Egoistisch. Depressiv. Verschlossen. So hast du mich also wahrgenommen! Wütend knüllte sie den Brief mitsamt Kuvert zusammen und warf ihn in die Ecke. »Den hättest du dir schenken können, Michael!« Gibbs sprang hinterher, um damit zu spielen.
    »Egoistisch ... Was hättest du denn lieber gehabt? Dass ich zu Hause sitze und auf dich warte? Dass ich meinen Job doch bitte nicht ganz so ernst und wichtig nehme?« Tablettensucht, Alkoholkonsum, weil ich vor etwas davonlaufe. » Auf deine Küchenpsychologie kann ich verzichten, Michael! Und außerdem: Wovor sollte ich denn davonlaufen?«
    Sie fing an, die Küche aufzuräumen, Gibbs’ Schüssel zu spülen, sie ging ins Bad, hängte ihr feuchtes Badetuch auf, warf ihre alten Sachen in den Wäschesack, kontrollierte aus Gewohnheit vorher die Taschen – und hielt plötzlich wieder das Foto von Roths Sekretär in der Hand. Helen Durban stand auf der Rückseite. Die Frau saß an einem Tisch in einem Café, sie sah nicht in die Kamera, sie hatte eine Tasse vor sich stehen, wahrscheinlich war sie ohne ihr Wissen fotografiert worden. Helen Durban. Sooft sie den Namen auch wiederholte, er sagte ihr nichts.
    Das hätte sie nicht weiter beunruhigen müssen, wenn Helen Durban – wenn sie nicht aussehen würde wie ihre Mutter.
    Sollte ihre Mutter eine Schwester verschwiegen haben? Immerhin hat sie dir auch einen falschen Vater präsentiert, oder?
    Ihr fiel nur eine Möglichkeit ein, wie sie der Sache auf den Grund gehen könnte: Lanzelot .
    Sie machte sich mit Gibbs auf den Weg.
    Die blaue Unterwasserwelt, wie sie die Zentrale für sich nannte, war so etwas wie ihr Zufluchtsort geworden, vertrauter als ihr

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