Das Syndikat
gesamte Vermögen?«
»Das Reihenhaus und eine Mietwohnung.«
»Ich würde nicht gern in die Nähe dieses Herrn kommen«, meinte Han. »Leider ist dieser Herr gerade der Polizei in Brüssel entwischt.«
89
Wieso lief alles schief?, fragte er sich und warf sich noch ein Fisherman’s Friend in den Mund, trat das Gaspedal durch und schoss an dem Mercedes Kombi und dem silbernen Audi vorbei. Er hatte die drei Killer sorgfältig ausgewählt. Alle hatten Erfahrung, galten als zuverlässig, und dann? Dann hatten plötzlich nur zwei von ihnen in seinem Apartment gestanden, hatten nur das Kind mitgebracht und nicht diese Journalistin und wollten auch noch das ganze Geld. Das hatte er nicht zulassen können. Es gab Regeln. Einen Deal.
Zwei Schuss. Zwei Treffer.
Das Aufräumen müsste Nasser erledigen.
Allerdings hatte ihm dann die Ruhe gefehlt, um sich mit dem Mädchen zu vergnügen. Im Durcheinander war sie entwischt und hatte sich irgendwo versteckt.
Er wollte sich gerade auf die Suche machen, als er von einem Informanten eine beunruhigende Nachricht erhalten hatte. Nasser war festgenommen worden. Und der sonst so diskrete Nasser plauderte und plauderte. Es war nur eine Frage der Zeit, bis Nasser sein, Roths, Kapitel aufschlagen würde.
Die Entscheidung war ihm nicht leichtgefallen, aber auf unabsehbare Zeit hinter Gefängnismauern zu verschwinden sagte ihm noch weniger zu, also hatte er sich Bargeld geschnappt, die zwei falschen Pässe, Autoschlüssel und Mantel, hatte sich in seinen Porsche gesetzt und war losgefahren, obwohl es ihm um Janina außerordentlich leidtat. Sie würde womöglich in einem Zoo landen, die Arme. Dort würde man sie begaffen, mit dem Finger auf sie zeigen, ihr Mäuse zum Fraß vorwerfen und sich gruseln, man würde sie reizen, sie würde leiden, ach, er mochte sich das gar nicht vorstellen.
Wo dieses Mädchen geblieben war, konnte er sich allerdings immer noch nicht erklären.
Während er über die Autobahn raste, begriff er auf einmal. Er war an einem Wendepunkt seines Lebens angekommen, und all die Fehler, die ihm unterlaufen waren, führte er auf einen einzigen Umstand zurück: Er konzentrierte sich nicht auf sein wahres Können, auf seine wahre Leidenschaft. Er versuchte, eine Fassade aufrechtzuerhalten, und die Energie, die er dafür benötigte, fehlte ihm bei der präzisen Ausführung seiner eigentlichen Aufgabe. Er selbst hätte Grévy töten sollen.
Jetzt war er gezwungen, diese Fassade aufzugeben, jetzt war er endlich frei, um sich seiner wahren Bestimmung zuzuwenden. Wie Janina brauchte er lebendige Beute – leider hatte er Janina die nicht immer liefern können, sie hatte sich öfter mit Aufgetautem zufriedengeben müssen –, um sich lebendig zu fühlen. Er brauchte Lebendiges, das er töten konnte, manchmal mit Hass und Lust, manchmal mit Kälte. Dieser Akt spendete ihm Lebenskraft.
Der Porsche flog über die Autobahn, die Geschwindigkeit drückte ihn in den Sitz, und er fühlte sich – wenn er nicht gerade an Janina dachte – lebendig und frei.
Eliminieren , hatte der Baron gesagt und ihm vor drei Tagen das Foto geschickt. Und wie der Baron es gesagt hatte, bewies ihm, dass es etwas sehr Persönliches sein musste. So etwas wie Rache.
Sehr gern, hatte Roth geantwortet und ein wenig recherchiert.
Und was er da so herausgefunden hatte, versetzte ihn regelrecht in Entzücken. Es gab kein engeres Band zwischen Menschen als das des Blutes. Das hatte er schon in der Kindheit schmerzlich erfahren müssen.
90
Frankfurt
Ja, sie war egoistisch. Und verschlossen. Und depressiv. Und ja, sie lief vor etwas davon. Sie wusste nur nicht, wovor. Sobald sie darüber nachgrübelte, breitete sich ein schwarzes Loch in ihrem Gehirn aus, in das alle Gedanken hineinstürzten.
Auf eine rätselhafte, komplizierte Weise hingen die Dinge zusammen: Roths Agentur, der Überfall auf das CRSSA , der falsche Alarm, der noch immer nicht zurückgenommen war, die strengeren Kontrollen und Überwachungen, Grévy, David ... ihre Albträume, Nyström ... Und jetzt auch noch Helen Durban. Es kam ihr vor, als bliebe ihr keine andere Wahl, als einen Schritt nach dem anderen zu gehen, einem Hinweis nach dem anderen zu folgen, bis sich endlich eine Tür öffnen würde.
Als sie nach Frankfurt hineinfuhren, wachte Gibbs aus einem kurzen Schlaf im Fußraum auf. Er hatte sich zu einem sehr aufmerksamen Beifahrer entwickelt. Meist saß er aufrecht auf dem Beifahrersitz und beobachtete den Verkehr, hin und
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