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Das Syndikat

Das Syndikat

Titel: Das Syndikat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fran Ray
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Feuer brannte.
    Als sie die Füße auf den Boden setzte, wurde ihr schwindlig, und gleich darauf pochte der Schmerz in ihren Händen. Ihre Ohren rauschten, als würde ein Wildbach durch ihren Kopf tosen. Sie schluckte zwei Aspirin, zog ihren Jogginganzug an, das Einzige, was sie auf die Schnelle finden konnte, ohne einen Schrank öffnen oder Licht anmachen zu müssen. Mühsam zog sie sich an, schlich aus dem Schlafzimmer auf den Flur, vorbei an den kongolesischen Holzskulpturen – die Michael so liebte, die Karen aber immer an die barbarische belgische Kolonialmacht denken ließen – in ihr Arbeitszimmer und schloss die Tür hinter sich.
    Ursprünglich hatte sie es nur aus Geldmangel getan, doch inzwischen hatte sie sich so daran gewöhnt, dass sie es nicht mehr ändern wollte: Ihr Arbeitszimmer war eingerichtet wie ein Provisorium in einem Armeezelt. Ein Klapptisch aus olivgrünem Metall, davor ein faltbarer Leinenstuhl, auch in Olivgrün, an der Wand ein Feldbett. Die Fotografien hatte sie mit Heftpflaster an die Wände geklebt. Nur die Regale waren fest an die Wand montiert. Karen setzte sich an den Schreibtisch und schaltete ihr Notebook ein.
    Mit der verbundenen Hand tat sie sich schwer, die richtigen Tasten zu treffen, aber schließlich hatte sie Oberst Grévy eingegeben.
    »Karen? Was machst du?«
    Erschrocken sah sie sich um. Michael stand in der Tür, der Schlafanzug zerknittert, die Haare zerrauft, die Augen dunkel umrändert und müde. Er kam näher und sah ihr über die Schulter. »Was machst du da?«
    »Oberst Grévy. Er sollte vor dem Europäischen Gerichtshof aussagen wegen einer Sache in Afghanistan. Angeblich hat er sich umgebracht. David hat ihn gefunden, mit zwei Schüssen im Kopf.«
    »Ich weiß nicht, warum du dich jetzt damit beschäftigst? Du solltest verdammt froh sein, dass du dieses verfluchte Bombenattentat überlebt hast.« Er berührte ihre Schulter. »Ist dir klar, dass es ein Wunder ist, dass du überlebt hast? Wie oft muss dir das noch passieren, bis du endlich mit diesem ... mit diesem Zeug aufhörst?«
    »Mit diesem Zeug?« Sie wollte nicht begreifen, was er da eben gesagt hatte. »Zeug? Für dieses Zeug ist David gestorben!«
    Er stöhnte auf. »Karen, bitte, lass uns nicht wieder streiten. Nicht jetzt.«
    »Ich hab nicht damit angefangen.« Da züngelte sie schon wieder, die Wut. Michael, hör auf, wollte sie sagen, mach es nicht noch schlimmer, lass mich einfach in Ruhe, doch sie sagte es nicht, und er redete weiter.
    »Karen! Schreib ein Buch, einen Roman, was auch immer. Du hast eine tolle Auszeichnung gekriegt, aber halte dich da raus.«
    »David –«
    »David ist tot, Karen. Und ich will nicht, dass dir dasselbe passiert.«
    Sie schwieg. Der Tod. Aus dem heiteren Himmel.
    Er ließ sich erschöpft auf den Leintuchsessel sinken und musterte sie. Sie wandte sich ab und las die Überschrift.
    » Oberst begeht Selbstmord. Die Meldung stammt von gestern. Wie erst heute bekannt wurde, hat sich Oberst Hugo Grévy, Leiter der EU Battlegroup in Afghanistan, vorgestern in Val d’Isère das Leben genommen. Seine Leiche wurde am Rand einer Skipiste gefunden. Wie das Hotelpersonal – «
    »Karen, hör auf!«
    »Was?«, fragte sie.
    Stöhnend lehnte er sich im Sessel zurück, beugte sich aber gleich wieder nach vorn, seine typische Angriffshaltung, die kannte sie.
    »Weißt du, was ich mich oft gefragt habe, wenn du nicht da warst? Warum verlässt sie mich immer wieder und setzt ihr Leben aufs Spiel?, hab ich mich gefragt. Warum läuft sie diesen Kriegen hinterher? Hier in Europa gibt’s massenhaft Arbeit für Journalisten. Also, warum? Und weißt du, welche Antwort ich gefunden habe?« Er sprach nicht weiter. Die Luft in dem kleinen Raum kam ihr vor wie elektrisch aufgeladen, als könnte sie sich jeden Moment entzünden.
    »Du setzt dein Leben aufs Spiel, weil du den Kick brauchst, weil es dir zu langweilig ist, das Leben mit mir.« Sein Gesicht war hart geworden. »Genau deshalb.«
    »Nein, das stimmt nicht ...« Doch sie wusste längst, dass er recht hatte. Da draußen, mitten in den Gefahren, da spürte sie, dass sie lebte. Sie lebte, wenn sie in der nächtlichen Wüste fror, wenn sie unter dem Gewicht der Ausrüstung und der Schutzkleidung zusammenzubrechen drohte, wenn sie vor Angst schlotterte, wenn sie mit den Überlebenden um die Toten trauerte, wenn ihr Menschen, ob Kollegen, Soldaten oder Einheimische, ihr Schicksal anvertrauten, wenn sie mit ihnen fühlte, trauerte oder

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