Das Syndikat
aufsetzte.
»Bitte, beantworten Sie einfach meine Frage, je schneller wir fertig sind, desto eher sind Sie wieder daheim.«
Erst jetzt bemerkte sie, dass der Agent rechts von ihr auf einem Notebook mitschrieb. Sie spürte, wie sein Oberschenkel ihren berührte.
Ein Protokoll. Ein Verhör. Alles, was Sie sagen, kann gegen Sie verwendet werden. Die Enge im Wagen schien sich um ihren Körper zu legen und sich langsam zusammenzuziehen. »Ich will einen Anwalt.«
»Mrs. Burnett, wir können die ganze Sache natürlich aufblasen, dann bekommen Sie und Ihr Anwalt ziemlich viel Arbeit – oder aber wir unterhalten uns jetzt ganz ungezwungen.«
Immer wieder diese Sprüche. Und sie funktionierten. Jedes Mal. Sie überlegte. Es gab nichts, womit man sie festnageln konnte, Geheimdienste konnten allerdings sehr unangenehm sein. Wenn es um Terrorabwehr ging, ganz besonders. Mike Coben fiel ihr ein. Es war purer Zufall, dass sie gerade hinter ihrer Hotelzimmertür stand und das seltsame Schleifgeräusch hörte, das Schuhspitzen machen, wenn sie über einen Teppich gezogen werden. Durch den Türspalt sah sie Mike Coben im Aufzug verschwinden, gegen seinen Willen festgehalten von zwei gelackten Typen, bei einem entdeckte sie ein Schulterhalfter. Coben war Mitarbeiter einer englischen Hilfsorganisation, sie und David hatten mit ihm in der Hotelbar gesessen und ein paar Drinks gehabt. Ihre Recherchen über Cobens Verbleib hatten ins Nichts geführt. Erst ein Jahr später hatte sie gehört, dass er aus Guantanamo freigelassen worden war.
»Wir haben über alte Zeiten geredet und ... über Afghanistan«, sagte sie.
»Und über Oberst Grévy?«
Die Fotos, dachte sie, sie wissen von Davids Fotos.
Der Agent sah ihr mit provozierender Gleichgültigkeit in die Augen.
»Nein.«
»Nach dem Anschlag, was haben Sie da gemacht?«
»Mein Mann hat mich nach Hause gefahren.«
»Oh, Ihr Mann war auch im Restaurant?«, fragte er viel zu überrascht. Sie wussten längst alles.
Wut kochte in ihr hoch. Aber das wollte er ja nur, dass sie Nerven und die Beherrschung verlor.
»Nein, er hat von dem Anschlag gehört und hat mich abgeholt«, antwortete sie so gleichmütig wie möglich.
»Und dann sind Sie nach Hause gefahren. Auf direktem Weg?«
»Natürlich.« Sie zuckte nicht mit der Wimper.
Er hielt ihr ein Foto hin. Sie brauchte nur einen kurzen Blick darauf zu werfen, um zu wissen, worum es sich handelte.
Er musterte sie. »Das sind Sie, richtig?«
»Aus dieser Entfernung ...«
»Wir können auch gleich ins Hotel Bristol fahren und Sie dem Portier gegenüberstellen. Er hat Dienst.«
Er zog ein anderes Foto aus einer Akte auf seinem Schoß.
Es musste von einer Überwachungskamera im Hotel aufgenommen worden sein. Links, an der Rezeption, stand sie, in Michaels viel zu großem Mantel, von rechts kam er, Thibault, unverkennbar, mit seinen längeren rötlichen Haaren, und zum ersten Mal dachte sie an einen Surfer. An einen Surfer, der gleich sein Brett vom Autodach schnallen würde ... Was für Gedanken! Flucht, wusste sie, Fluchtgedanken. Dissoziation. Jetzt, jetzt haben sie dich!
»Woher kennen Sie ihn? Welche Verbindung besteht zwischen Ihnen? Was –«
»Ich weiß nicht, wer er ist!«, unterbrach sie ihn. »Warum fragen Sie mich das alles?«
»Sie sind mit ihm zusammen in Frenchs Hotelzimmer eingedrungen. Was wollten Sie dort?«
Er fragte einfach weiter. Gut. Sie schwieg beharrlich. Noch war sie nur in einem Auto, noch nicht in einer Zelle ... oder sonstwo. So schnell kriegen die mich nicht!, dachte sie. Irgendwie hatte sie es geschafft, ihre Panik zu überwinden. Sie hatte das Attentat überlebt, sie hatte Afghanistan überlebt, was also konnte dieser blasse Agent ihr antun?
Wie hat sich dieser Mann genannt? Wie haben Sie Kontakt zu ihm aufgenommen? Erzählen Sie! Was wollte er? Warum waren Sie beide im Hotel? Wieso ... Das Verhörsystem kannte sie. Sollte er ruhig fragen. Sie würde ihm keine einzige Antwort geben, stattdessen fuhr sie ihn an: »Worum geht es hier überhaupt?«
» Lanzelot ... Was sagt Ihnen der Name Lanzelot? «
»Keine Ahnung!« Selbst wenn sie es wüsste, wäre dieser Agent der Letzte, dem sie es sagen würde. »War das nicht einer der Ritter von König Artus’ Tafelrunde?«
Ein spöttisches Lächeln flog über sein Gesicht. Er deutete auf das Foto mit Thibault.
»Er heißt Jens Nyström. Nach ihm wird gesucht, mit internationalem Haftbefehl. Er handelt mit Daten. Ein Hacker, Verräter und Terrorist.
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