Das Syndikat
Seine Organisation heißt Lanzelot , sie veröffentlicht geheime Dokumente. Und das richtet er damit an.«
Karen blickte auf ein anderes Foto. Körper von Kindern, Körper von Frauen, blutig, zerrissen ...
»Das sind Flüchtlinge in Darfur. Sie sind in einen Hinterhalt geraten, aufgrund einer Information, die Lanzelot veröffentlicht hat.«
Solche Bilder kannte sie, sie hatte das alles mit eigenen Augen gesehen. Sie wusste nicht, ob sie ihm glauben sollte.
»Und? Was wollen Sie von mir?«, fragte sie so kühl, wie es ihr möglich war.
»Vertrauen Sie ihm nicht. Helfen Sie uns, ihn zu finden. Er ist wie ein Fisch, er schlüpft einem durch die Finger. Zu Ihnen hat er offenbar Vertrauen.«
»Ich soll für den Geheimdienst arbeiten?« Fast spuckte sie ihm die Frage ins Gesicht.
Er quittierte es mit einem angewiderten Lächeln. »Sie sind eine anerkannte, respektierte Journalistin. Ihnen werden die Menschen glauben, dass Lanzelot auf der falschen Seite steht.«
Er legte eine Akte auf ihren Schoß. »Vielleicht kann dieses Detail Sie ja überzeugen.«
Sie öffnete sie. Obendrauf lag ein Foto. Eine junge Frau, blond, hübsch, mit freundlichem Blick, auf einem Felsen am See, im Hintergrund ein Fichtenwald.
»Seine Frau, Astrid Nyström. Sie wollte sich von ihm scheiden lassen, die Kinder mitnehmen.«
Karen legte das Foto zur Seite, darunter lag ein zweites. Eine Frau mit einer Drahtschlinge um den Hals, die Augen verdreht, die Zunge aufgequollen, das Gesicht blau angelaufen.
»Er hat sie umgebracht.«
»Das ist absurd! Wieso ist er dann nicht im Gefängnis?«
»Er hat ein leider wasserdichtes Alibi.«
»Dann ist die Sache doch klar. Wieso behaupten Sie dann, dass dieser Nyström der Mörder ist?« Das alles kam ihr wie eine schlechte Inszenierung vor, um sie einzuschüchtern und zu manipulieren. Ihre Panik hatte sich gelegt, jetzt war sie nur noch wütend.
»Weil die Spuren eindeutig sind. Auf dem Draht sind seine Fingerabdrücke, ein Zeuge hat die beiden zwei Stunden vorher streiten hören, sein Auto stand da ...« Sein Seufzen wirkte künstlich. »Also, haben Sie sich entschieden?«
»Sie glauben doch wohl nicht im Ernst, dass Sie mich mit diesen Beweisen überzeugen können, das ist lächerlich. Ich will jetzt aussteigen.«
»Bitte.« Er machte ein generöse Handbewegung. Am liebsten hätte sie ihm den Ellbogen in sein grinsendes Gesicht gerammt, aber sie wandte sich einfach ab. Der Wagen hielt.
»Ach, Mrs. Burnett«, schickte der Agent von der Rückbank hinter ihr her, »Ihnen sollte klar sein, dass man Sie womöglich als Komplizin von Nyström ansehen könnte.« Sein Lächeln war widerlich.
Nachdem der Wagen davongeglitten war, blieb sie eine Weile am Straßenrand stehen. Sie ließ sich von den weißen Schneeflocken bedecken, als könnte sie dadurch all den Schmutz loswerden, den diese Begegnung hinterlassen hatte.
»Und?« Michael machte die Tür hinter ihr zu und sah sie besorgt an. Was sollte sie ihm erklären? Dass der Geheimdienst hinter diesem Nyström her war? Dass sie spionieren sollte? Und dass sie Nein gesagt hatte. Er würde sie nicht verstehen.
Sie schnappte sich die Autoschlüssel von der Ablage. »Ich muss noch mal telefonieren.«
»Aber wir haben ein Telefon, Karen«, sagte er und lächelte verständnisvoll. »Und außerdem zwei Handys.«
»Nein, kein Handy«, sagte sie entschieden.
»Wieso kein Handy?«
»Vielleicht haben sie es längst angezapft.«
»Karen!« Besänftigend legte er ihr die Hand auf den Arm. »Wir sind nicht in einem Spionagefilm.«
»Du hast ja keine Ahnung von der Welt!«, fuhr sie ihn an und schüttelte seine Hand ab.
»Karen! Ich stehe auf deiner Seite, kannst du das nicht verstehen?«
Sie sah ihn nur an. Er kam ihr so fremd vor. »Ich muss noch mal weg«, murmelte sie nur und ging.
Als der BMW aus der Einfahrt glitt, bemerkte sie wieder den braunen Hund. Er stand am Gartenzaun und sah sie an. Wer lässt denn seinen Hund bei der Kälte da draußen?, dachte sie, während sie nach rechts auf die Straße einbog. Sie fuhr zur einzigen Telefonzelle weit und breit. Wie ein Relikt aus einer anderen Zeit stand sie dort, am Eingang des Krankenhauses. Nur Drogendealer und die paranoiden Anhänger irgendwelcher Verschwörungstheorien benutzten öffentliche Telefonzellen. Tja, dachte sie, da ich keine Drogendealerin bin, bin ich offenbar paranoid, aber lieber paranoid als tot ... Der Satz hätte glatt von ihrer Mutter stammen können.
Sie hob den Hörer ab,
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