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Das Syndikat

Das Syndikat

Titel: Das Syndikat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fran Ray
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mehr aufhören, du steckst schon mittendrin. Dann tauchten die Szenen aus dem Video auf, das Abschlachten, das Kind, das über die Trümmer kroch ... Los, Karen! Finde heraus, warum sie es getan haben! Sie warf die Autotür zu.
    Sie drückte die Klingel an der Gartentür. Vielleicht war die ganze Fahrt ja auch umsonst gewesen und der letzte Überlebende wollte nicht mit ihr reden. Schließlich hatte ja nur seine Frau angerufen. Seine Frau. Sie war es auch, die öffnete. Eine zierliche, nicht sonderlich große Frau mit blasser Haut und weichem, kurz geschnittenem kastanienbraunen Haar. Wenn sie sich ein bisschen Mühe gäbe, würde es modern und jugendlich aussehen, dachte Karen. Marie Traessart war sicher erst Mitte dreißig, aber sie wirkte viel älter, so ausgebrannt und gehetzt, wie sie war. Sie trug Jeans und eine grob gestrickte, viel zu weite Strickjacke. Vielleicht gehörte sie ihrem Mann.
    »Er ist ... heute Morgen weggefahren«, sagte Marie Traessart, noch bevor sie einen Blick auf Karens Ausweis warf. »Ich hab ein Auto gehört«, sagte sie, »und dann geh ich in die Garage, und da steht das Auto noch! Und dann ... Ich wollte die Polizei holen, aber ... Thierry sagte immer: Auf keinen Fall die Polizei, die stecken alle unter einer Decke ...« Sie hatte atemlos gesprochen, jetzt erst holte sie Luft. »Es ist da.« Ihre magere Hand zitterte, als sie sie hob.
    Karen sah zum Gartenschuppen. Ein großer Haufen Holzscheite lag dort, als habe jemand vor, ein riesiges Feuer anzuzünden.
    »Was ist da?«, fragte Karen, doch Marie Traessart schien sie gar nicht zu hören, sie stapfte schon in ihren Hüttenschuhen über die gefegten Waschbetonplatten.
    »Ich hab ihn auch da drin gesucht«, sagte sie und zog den Riegel auf. Es war einer dieser graugrünen Plastikgartenschuppen aus dem Baumarkt, in dem man Gartengeräte aufbewahrte und vielleicht noch die Liegestühle für den Sommer. Dunkelheit gähnte ihnen entgegen, gefolgt von einem Geruch nach Metall.
    »Das sind seine Sachen!«, sagte Marie Traessart verzweifelt. »Ich hab alles wieder dahingelegt.«
    Karen starrte auf ein Bündel blutgetränkter Kleidungsstücke, das Marie Traessart vom Deckel einer Tonne nahm. Trainingshose, Sweatshirt, Regenjacke.
    Also doch, dachte Karen, ich bin zu spät. Der Letzte ist auch tot.
    » Mach dir keine Sorgen «, Marie Traessart schüttelte wieder und wieder den Kopf, »das hat er auf den Zettel geschrieben.« Ihr Gesicht war Schmerz und Verzweiflung. »Wie kann er das von mir verlangen?« Sie betrachtete das blutige Kleiderbündel in ihren Händen und schluchzte. »Seine Sachen voller Blut, und dann schreibt er so was! Wie kann er das von mir verlangen?«
    »Können Sie ihn nicht anrufen?«, fragte Karen. Vielleicht war Thierry Traessart ja doch noch am Leben.
    »Er benutzt schon lange kein Handy mehr. Er sagt, da kommt das Böse raus.«
    »Das Böse?«
    Marie Traessart nickte gedankenverloren. »Aber, wenn irgendwer Thierry umgebracht hat, warum hat der ihm dann die Sachen ausgezogen?« Sie schüttelte das Kleiderbündel, als wollte sie es zwingen, endlich zu reden. »Und wenn es vielleicht gar nicht Thierrys Blut ist, wessen Blut ist es denn dann? Und ... und wie kommt dieses fremde Blut an die Sachen von Thierry? Das ergibt doch keinen Sinn!«
    Karen sagte nichts.
    »Wo ist Thierry?«, fing Marie Traessart wieder an. »Und warum steht sein Auto in der Garage? Ich versteh das alles nicht.« Sie knetete die blutverklebten Sachen, bis Karen sie ihr sanft aus der Händen nahm und sie zurück auf den Tonnendeckel legte. Dann nahm sie Marie Traessart am Arm und führte sie zum Haus zurück.
    »Er hat sich so verändert ...« Thierrys Frau schüttelte immer wieder den Kopf, als sträube sie sich, die Realität in ihre Gedanken zu lassen. »Ich weiß einfach nicht ... Es war schon immer schwierig nach seinen Einsätzen, aber diesmal ...«
    »Könnte ich mir die Hände waschen?«, fragte Karen, als sie in der Diele standen.
    Wortlos wies Marie Traessart zur Gästetoilette.
    Dass ihr Mann der Mörder sein könnte, hat sie gar nicht in Erwägung gezogen, dachte Karen, während sie sich die Hände abtrocknete. Das Licht im Bad beleuchtete ihre Narbe. Sie tastete darüber, vom Ende der rechten Augenbraue über die Wölbung des Wangenknochens hinunter bis zum Unterkiefer. Fast ihr ganzes Leben lebte sie nun schon damit, aber jedes Mal, wenn sie sie sah oder berührte, reagierte sie unsicher und befremdet. Seit Afghanistan fiel sie ihr

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