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Das Syndikat

Das Syndikat

Titel: Das Syndikat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fran Ray
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lösten sich aus den Strukturen, aus falschen Loyalitäten und Verpflichtungen. Verräter wählten ihren Weg selbst. Sie konnte also ganz gut als Verräterin leben. Diese Einstellung behielt sie jedoch für sich ...
    Wie jeden Morgen – außer am Wochenende – fuhr sie Linh auf dem Weg zur Arbeit in die Schule. Von ihrem Apartment im Cours Jean Jaurès aus brauchte sie, wenn es keinen Stau gab, nur zehn Minuten zum Verteidigungsministerium, dazu kamen fünf Minuten Umweg zu Linhs Schule am Place du Dr. Girard. Ein weißer Lieferwagen fuhr die ganze Zeit hinter ihr. Obwohl viele dieser Autos unterwegs waren, kam ihr dieser irgendwie verdächtig vor. Er hielt immer ein oder zwei Wagen Abstand, fuhr nie direkt hinter ihr. Natürlich bedeutete das nicht, dass sie von diesem Wagen verfolgt wurde. Trotzdem.
    In ihrem Job dachte man dauernd an Terroristen. Und an Krieg. An Anschläge aus dem Hinterhalt. An Strahlungen, an Viren, Bomben ... Wieder sah sie in den Rückspiegel.

50
    Karen schmeckte Eisen.
    Blut.
    Der über zwanzig Jahre alte Albtraum – da war er wieder: der Gang durch den dunklen Flur auf die Tür zu, der helle Spalt wird breiter, als sie sich öffnet, das gleißende Licht, der scharfe Geruch, ein schrilles Kreischen, ein Brüllen ... Die Tür lässt sich nicht weiter öffnen ... das Brennen auf ihrer Wange ... Blut ... und dann Mickey Mouse.
    In ihren Ohren tosten Sturzbäche. Dann tauchte sie auf, stieß durch eine Oberfläche aus milchigem Glas, Erinnerungssplitter blitzten auf zwischen Schmerzen und der Erkenntnis, dass sie gefesselt und geknebelt war, gefangen und ausgeliefert.
    Aber ich bin noch nicht tot.
    Ein Stöhnen, irgendwo im Raum, sie riss den Kopf hoch. Sie war nicht allein. Eine Frau auf einem Stuhl, zwei Meter entfernt, nicht mehr, Arme und Beine mit Klebeband an den Stuhl fixiert, Mund verklebt. Der Kopf lag auf der Brust.
    Tot? Oder noch am Leben? Aber sie hatte gestöhnt, oder nicht? Sofort war sie wieder da, die Angst, die Panik.
    Was haben die mit mir vor?, schoss es Karen durch den Kopf. Der Gedanke jagte ihren Puls hoch, ihre Schläfen pochten, und sie schwitzte. Sie atmete schneller und flacher, Teppichflusen sogen sich in ihre Nase, wurden immer dicker, wanden sich wie Würmer, bald würden sie sich bis in ihre Lungen hinein schlängeln, stellte sie sich vor, sie würde ... ersticken ... nein, so wollte sie nicht sterben. Sie wollte überhaupt nicht sterben, nicht so, nicht hier, nicht jetzt! Und dann kamen die anderen Erinnerungen, die neueren.
    Afghanistan.
    Die Fahrt im Jeep. Sand überall, dringt in alle Poren, in Ohren und Augen, sie hat ein Tuch über die Nase gelegt und trägt eine Sonnenbrille, aber nichts hilft. Sie will im Lazarett mit verletzten Soldaten und mit den Ärzten sprechen, will diesen verrückten Krieg hinterfragen, will mit Menschen sprechen, nicht mit Majoren und Feldwebeln. Mit Menschen. Menschen, die noch ein anderes Leben haben, zu Hause, das sie vergessen müssen, um hier zu überleben. Die Interviews kommen nicht zustande. Zurück ins Auto.
    Dann die Nachricht, auf der Strecke hat es vor zwei Stunden ein Bombenattentat gegeben. Ein Pkw hat sich in einen Konvoi gemogelt und ist explodiert. Fünf Soldaten sind tot. Wenn es gerade einen Anschlag gegeben hat, ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass gleich danach noch einer auf derselben Strecke passiert. So denkt sie. So denken alle im Wagen. Der Fahrer und auch Paolo, der italienische Journalist, den sie unterwegs mitgenommen haben, weil das Auto seiner Begleiter eine Panne hatte. Vor ihnen fährt ein Pkw, hinter ihnen auch, ein anderer fädelt sich ein, fährt jetzt genau vor ihnen. Mit drei Männern drin. Es sind nur drei Männer, und es ist nur ein Auto. Plötzlich bremst das Auto, die Männer reißen die Türen auf, sind schon bei ihnen, zerren den Fahrer heraus, gießen Benzin über ihn und stecken ihn in Brand ...
    Karen wollte schreien, aber sie konnte nicht. Das Klebeband ... und der Teppich ... Sie schloss die Augen. In ihrem Innern rollte etwas heran, Verzweiflung, wie eine gewaltige Woge.

51
    Sie, Dr. Lan Peyroux, war Geheimnisträgerin, sie war eine der Teamleiterinnen der Abteilung Infektiöse Krankheiten und Technologische Entwicklung . Ausdrücklich wurde sie aufgefordert, jede verdächtige Beobachtung zu melden.
    Hör auf, darüber nachzudenken, das ist wirklich absurd.
    Wenn der düstere Himmel hält, was er ankündigt, wird es heute Abend, wenn ich dieselbe Strecke zurückfahre, wieder

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