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Das Syndikat

Das Syndikat

Titel: Das Syndikat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fran Ray
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Züge waren eher weich, sein Kinn zu rund, seine Wangenknochen zu unscheinbar, Augen und Nase zu klein, um seinem Gesicht eine Prägung zu geben. Ein paar kleinere chirurgische Eingriffe hatte er gewagt, doch sie hatten ihm kein wirklich neues Gesicht verschafft. Aber Zielstrebigkeit, das war eine seiner herausragenden Qualitäten. Und wohin hatte ihn diese Zielstrebigkeit geführt? Seine gut aussehenden Kommilitonen hatte er, finanziell gesehen, weit, sehr weit hinter sich gelassen. Und längst schon verblasste der Reichtum von Sues Eltern gegenüber seinem eigenen. Allein der Wert der von ihm persönlich genutzten Immobilien in London, New York und Florida war höher als das gesamte Eigentum der Wongs. Und die waren nicht gerade arm. Mit welch großer Ehrfurcht hatte er damals vor der Tür der Wongs in Belgravia gestanden, um Sue zum Date abzuholen. Es war der 24. September gewesen, das wusste er noch, die Bäume hatten rot und gelb geleuchtet, er hatte ein Taxi genommen, um sich besser zu fühlen, und dann stand er da, vor der schweren schwarz lackierten Eingangstür und wartete, bis jemand öffnete. Er wusste, dass er durch diese verdammte Tür musste, um sein Imperium zu gründen. Und tatsächlich, nach anfänglichem Misstrauen gab Sues Vater ihm ein Darlehen für die Gründung seiner Firma. Legend , der Name gefiel dem alten Wong.
    »Was gibt’s da zu schmunzeln, Ken?« Der Alte sah ihn durch seine lächerliche Brille an.
    »Das Spiel«, log Emerson, »es sieht so aus, als wenn du diesmal verlierst.«
    »Da wär ich mal nicht so sicher, ihr Jungen seid manchmal zu schnell.«
    Emerson entging nicht, wie der Alte nach einem Ausweg suchte. Sollte er es ruhig versuchen!
    »Wie sieht es aus, Ken? Hunger?« Dubois legte die Hände auf die Armlehnen. »In meinem Alter soll man keinen Hunger mehr haben, heißt es immer. Ich hab aber immer noch welchen. Machen wir ein Päuschen.«
    »Gut, machen wir ein Päuschen«, wiederholte Emerson. Er hatte den alten Fuchs mit seinem Zug doch tatsächlich in Verlegenheit gebracht.
    Dubois klatschte in die Hände, und wenige Augenblicke später brachte Hermès, dieser steife Diener, das Essen. Emerson sah auf die Uhr. Natürlich! Punkt zwölf, wie immer! Das Ganze war eine Show, wahrscheinlich genauso wie das Rätseln über den nächsten Zug.
    Hermès stellte die Schüssel mit dem Kartoffelsalat und den kalten Grillwürstchen auf den Beistelltisch, wünschte Guten Appetit und verzog sich.
    Dubois rieb sich die Hände und lächelte breit. Emerson wusste, was der Alte jetzt dachte. Milliardäre beim Mittagessen! Noch dazu in einer Region, in der es von Gourmetrestaurants nur so wimmelte. Er füllte Kartoffelsalat und ein Grillwürstchen auf einen Plastikteller und gab ihn dem Baron.
    »Ist es nicht verrückt, Ken«, sagte der Alte und schnitt ein Stück von seinem Grillwürstchen ab, »wir hocken hier gemütlich im Trockenen bei Kartoffelsalat und Würstchen und draußen schneit’s. Draußen passieren Autounfälle. Draußen passieren Pleiten. Kriege.« Dubois schob sich Würstchen und Kartoffelsalat in den Mund und sagte mit vollem Mund: »Und wir müssen noch nicht mal aus dem Haus, um Millionen zu verdienen und die Welt zu steuern. Das ist verrückt, nicht wahr?«
    »Das ist es.«
    Eine Weile aßen sie schweigend und sahen hinaus in den Schneeregen. Gabeln schabten über die Plastikteller, der Alte schmatzte, ansonsten war es still im Raum.
    »So, die Sache läuft also«, sagte Dubois unvermittelt, ohne aufzusehen.
    Emerson schluckte den Bissen hinunter und nickte. »Ja, die Sache läuft.« Er warf einen Blick auf die Uhr. »Roth hat unseren Mann wohl gerade angerufen.«
    »Hm«, machte Dubois und führte eine volle Gabel Kartoffelsalat zum Mund. »Weißt du was, Ken?«, sagte er kauend. »Ich bin glücklich. Wirklich. Das ist ein Geschenk, glaub mir. Und all das Geld ... bedeutet mir eigentlich gar nichts. Es ist nur ... nur das Spiel. Die Steinchen, weißt du.«
    Emerson nickte. »Wie viele davon man einheimsen kann.«
    »Genau!« Der Alte lachte, ein Stückchen Kartoffel flog ihm aus dem Mund.
    Emerson presste die Zähne zusammen. Er stellte seinen Teller auf den Teewagen. Es reichte.
    »Bist du schon fertig?«, fragte der Alte. »Was glaubst du, warum ich so alt geworden bin? Weil ich immer kräftig gegessen habe, deshalb.«
    »Und wegen dem Preiselbeersaft, oder?«, versuchte Emerson zu spaßen.
    »Den trink ich erst seit meinem einundsiebzigsten Geburtstag, keine Ahnung, ob

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