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Das Syndikat

Das Syndikat

Titel: Das Syndikat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fran Ray
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Ende machen ...
    Jetzt saß sie wieder am Steuer, starr vor Kälte – und vor Angst.
    Ihre aufgeplatzte Lippe brannte. Noch immer spürte sie den Schlag.
    »Ich will meine Tochter zurück«, hatte sie gesagt, vorhin noch, draußen.
    »Wenn die Sache erledigt ist«, hatte der Maskierte geantwortet.
    »Vielleicht haben Sie sie schon umgebracht.«
    Dann hatte er ihr das Handy gezeigt.
    Linhs Gesicht. Und eine Messerspitze drückte sich an ihr Ohr.
    Linhs Schreie bohrten sich ihr ins Herz.
    »Nein! Bitte! Ich tue alles, was Sie wollen! Bitte!«
    Das Bild verschwand. »Sie bringen die Behälter heraus, dann bekommen Sie Ihre Tochter.«
    Ihre Knie zitterten, und ihre Zunge klebte am Gaumen. »Ich glaube Ihnen nicht«, hatte sie gesagt.
    Sie sah ihn ausholen, dann spürte sie den Schlag.
    Der Schmerz nahm ihr den Atem, sie hörte und sah nichts mehr, kurz dachte sie, er habe sie totgeschlagen. Dann spürte sie etwas Warmes über ihre Lippen laufen, und als sie wieder sehen konnte, war ihre Hand blutverschmiert ...
    »Hier anhalten«, sagte er, als sie sich wieder in Richtung des CRSSA bewegten. Da sah sie schon den weißen Lieferwagen am Straßenrand, ungefähr zweihundert Meter entfernt.
    »Haben Sie Linh da drin?«, fragte sie.
    Natürlich antwortete er nicht.
    Sie kannte die Anweisungen. Reingehen, die Behälter holen, sie in den Kofferraum legen, rausfahren, Übergabe – und dann: Sie bekommen Linh wieder .
    Würden sie Wort halten? Zweifel quälten sie, aber sie hatte keine andere Wahl, als ihnen zu glauben, wenn sie nicht verzweifeln wollte.
    Ihr Bewacher stieg aus, nahm dabei die Maske vom Kopf, kehrte ihr aber den Rücken zu. Das Einzige, was sie im Dämmerlicht erkennen konnte, waren seine kurz geschorenen silberfarbenen Haare. Warum tun Menschen so etwas?, fragte sie sich. Nur wegen Geld?
    Er warf die Tür zu. Sie war allein.
    Wie angeordnet fuhr sie die Straße hinauf, bog nach links ab und steuerte auf das CRSSA zu. Im Rückspiegel konnte sie den Lieferwagen beobachten, wie er ihr folgte, dann, an der letzten Ecke vor der Einfahrt, blieb er stehen.
    Bitte, betete sie zu einer Macht, über die sie sich sonst keine Gedanken machte, bitte, lass alles gut werden, bitte ... Sie wischte sich über die Augen. Linh ... Linh war alles, was sie hatte. Sie war wichtiger als ihr Job, ihre Karriere, das Geld, das wurde ihr jetzt klar. Wenn alles vorüber wäre, wenn sie Linh wieder in den Armen hielt, würde sie ihr Leben ändern. Sie wusste noch nicht, wie, aber sie würde es tun. Es war seltsam, aber dieser Entschluss stärkte sie. Sie würde das alles durchstehen. Alles würde gut werden. An diesem Gedanken hielt sie sich fest.
    Es war beängstigend normal, als sie an die Schranke fuhr. Wie immer zeigte sie den Wachleuten ihren Ausweis und stellte den Wagen auf ihrem Parkplatz ab. Der war so gut wie leer. Die meisten Mitarbeiter waren längst nach Hause gegangen. Sie war abends öfter mal gekommen, manchmal sogar, wenn Linh eingeschlafen war.
    Selbst als sie die Tür zu den Laborräumen aufschloss, hoffte sie noch auf ein Wunder oder auf eine Durchsage, dass dies alles nur ein Test sei, den sie gerade verpatzte.
    Das helle Licht blendete sie heute, als sei sie das Böse, das nur im Dunkeln existieren konnte. Und die Flure waren ihr noch nie so still vorgekommen. Nur als fernes Rauschen nahm sie die Belüftungsanlage wahr. Weiter, einfach weiter geradeaus, sagte sie sich. Doch hier waren überall Kameras, man würde sehen können, wie sie die Behälter aus dem Gebäude schleppte. War das denn den Entführern nicht klar?
    Sie begegnete einem Wachmann, der wie üblich seine Runde drehte. Er nickte ihr zu, sie nickte zurück. Linh, sie dachte nur noch an Linh dabei. Linh, Linh, Linh.
    Immer näher kam sie dem Ende des Gangs und der Metalltür mit dem Fingerabdruckscanner.
    Die Menge, die dort drinnen in gesicherten Behältern aufbewahrt wurde, reichte, um mindestens zwanzigtausend Menschen zu infizieren. Ohne sofortige Behandlung – mit einem noch nicht klinisch erprobten Impfstoff – würden sie in weniger als zwei Tagen einen qualvollen Tod sterben.
    Sie atmete tief ein und aus, dann gab sie den vierstelligen Zahlencode ein und legte den Daumen auf das Glas des Scanners.
    Die Tür schob sich auf, und sie betrat den in gedimmtes Licht getauchten Raum. Dass darin der Tod aufbewahrt wurde, hatte sie noch nie so deutlich wahrgenommen wie in diesem Augenblick.
    Links lagerten hinter der Sicherheitsverglasung zehn blitzende

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