Das Syndikat
Metallbehälter, die aussahen wie etwas zu groß geratene Thermosflaschen, eingespannt in fest verschlossene Halterungen.
Und jetzt?
Die Tür öffnete sich.
Sie drehte sich um: Cortot. Kleiner und schmächtiger, als sie ihn kannte.
»Sie haben Thérèse«, sagte er tonlos, bevor sie fragen konnte.
Sie nickte nur, dann stand er neben ihr. Sie zögerte. Der letzte Schritt ... Es gab keinen Ausweg. Sie mussten das hier tun, um Linh und Thérèse zu retten. Darum ging es. Um sonst nichts.
Sie drückten ihre Daumen auf die Scannerscheibe.
Noch nie im Leben hatte sie so sehr gehofft, dass die Technik versagte, dass der Strom ausfiel, dass ... dass irgendetwas passieren würde ... und dass die Männer einsehen würden, dass ihr Plan nicht funktionierte und sie Linh freiließen – doch die Diode leuchtete auf, die Glasscheibe hob sich und die Halterungen öffneten sich.
»Nein«, sagte sie leise und hielt ihn zurück.
»Was?«
Sie wies mit dem Kinn auf die leeren Behälter weiter rechts.
Er zögerte.
»Los, kommen Sie schon, das merken die doch nicht.« Auf einmal fühlte sie sich wieder stärker. Warum war ihr diese Möglichkeit nicht schon früher eingefallen. Sie machte einen Schritt nach rechts.
»Wir beobachten Sie«, kam es über die Lautsprecher. »Sie sollen die ersten vier Behälter nehmen.«
Sie sah zu Cortot, der zuckte mit den Schultern.
»Sie haben die Überwachungskameras unter ihrer Kontrolle«, sagte er leise.
Als ob sie das nicht auch kapiert hätte. Ohnmacht zu spüren erfüllte sie mit Wut. Sie fühlte sich gedemütigt, und sie wäre zu jeder Gewalttat bereit gegen diese Leute, das wusste sie. Keine Sekunde würde sie zögern, sie zu töten, wenn sich die Gelegenheit bot. Aber es gab keine Gelegenheit. Sie stand hier in diesem Labor mit ihrem Kollegen Cortot, und das Einzige, was ihr zu tun blieb, war, diese Behälter mit den todbringenden Bakterien aus den Halterungen zu nehmen und nach draußen zu bringen.
»Was haben diese Leute vor? Und wer sind die?«, fragte sie leise. »Und warum kommt kein Sicherheitspersonal, wo sind die alle?«
»Vielleicht sind wir nicht die Einzigen, die sie unter Druck gesetzt haben.«
Jeder trug zwei Behälter.
»Was haben die vor? Wer steckt dahinter, Cortot?«, raunte sie ihm noch zu, da erlosch das grüne Lämpchen, und die Sicherung wurde wieder aktiviert. »Wieso sind hier keine Sicherheitsleute? Das ist doch unmöglich!«
»Bitte, Peyroux, ich weiß es nicht, bitte, wir wollen das hinter uns bringen ...« Seine Stimme zitterte, er war leichenblass.
Sie musste sich zusammennehmen, um nicht vor Wut und Machtlosigkeit zu heulen.
»Soll ich fahren?«, fragte er, als ihr beim Öffnen der Autotür der Schlüssel auf den Boden fiel. Normalerweise hätte sie entschieden abgelehnt, jetzt nickte sie nur. Er hob den Schlüssel auf. Zitternd setzte sie sich auf den Beifahrersitz. Cortot fuhr los. Das war alles nicht wahr.
Die Schranke öffnete sich automatisch. Die Wachleute nickten ihnen zu.
»Wieso haben die uns nicht verkabelt?«, fragte sie und tastete über ihren Körper.
»Wozu? Denen ist doch egal, was wir reden. Wahrscheinlich haben sie einen Sender am Wagen angebracht.«
Die Scheinwerfer eines dunklen Kleinwagens blinkten auf. Cortot setzte sich hinter ihn.
Vor ihnen lag Grenoble. Sie schauderte.
60
Cortot versuchte sich zusammenzureißen, doch irgendwann konnte er nicht mehr.
»Es tut mir leid«, brach es aus ihm heraus, und einen Augenblick lang fühlte er sich erleichtert, doch schon bereute er, dass er nicht einfach den Mund gehalten hatte.
»Was tut Ihnen leid?«, fragte Peyroux.
Er schwieg, hoffte, dass sie nicht noch einmal fragte.
»Was tut Ihnen leid?«, fragte sie, diesmal lauter, ungeduldiger.
Der Verrat, dachte er, aber er sagte: »Wir könnten sie abhängen und die Behälter in Sicherheit bringen.«
»Und Linh? Und Ihre Frau? Sie sind wohl verrückt.«
»Und was ist mit unserer Verantwortung?« Seine Worte hörten sich fremd an.
»Wir sollen meine Tochter und Ihre Frau opfern?«
Er schwieg, starrte auf die Straße vor ihnen, und plötzlich wurde ihm klar, dass er doch etwas tun könnte, etwas wiedergutmachen könnte. Dass er sich lange genug durchlaviert hatte. Es brauchte nur ein bisschen Mut, einen kleinen Sprung.
Jetzt war der richtige Augenblick!
Er gab Gas, überholte den Mégane und raste an ihm vorbei.
»He! Sind Sie verrückt!«, schrie Peyroux neben ihm.
»Vertrauen Sie mir!« Er riss das Steuer nach links,
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