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Das Tagebuch der Eleanor Druse

Das Tagebuch der Eleanor Druse

Titel: Das Tagebuch der Eleanor Druse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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in letzter Sekunde davon abhielt, direkt vor einem Schulbus auszuscheren, schaute er mich an, als wäre alles meine Schuld, als wäre ich diejenige, die einen Bus mit vierzig unangeschnallten Schulkindern um ein Haar zu einer Vollbremsung gezwungen hätte.
    »Mom, ich habe dir doch erzählt, dass Laurel Werling entlassen wurde.«
    »Wegen irgendwelcher Überstundengeschichten, nicht wahr?«
    »Ja«, antwortete er. »Woher sollte ich denn wissen, dass ich dich auch noch über ihren aktuellen Geisteszustand auf dem Laufenden halten sollte? Sie wurde letzte Nacht völlig aufgelöst ins Kingdom eingeliefert und hat sofort ein Einzelzimmer auf der Psychiatrie bekommen. Sie hat irgendeine Art Zusammenbruch. Keinen Nervenzusammenbruch, einen psychologischen Zusammenbruch oder so was Ähnliches.«
    »Du meinst wohl einen psychotischen Zusammenbruch«, antwortete ich.
    »Ja genau, einen psychotischen Zusammenbruch. Es soll um irgendeine persönliche Geschichte gehen. Wenn du einen psychotischen Zusammenbruch hättest und in einem Privatzimmer in der Psychiatrie liegen würdest, dann möchtest du doch sicher auch nicht, dass ich das überall in der Gegend herumposaune, oder?« Als er sah, dass mich das nicht sonderlich beeindruckte, versuchte er es auf eine andere Tour:
    »Außerdem sind das vertrauliche Patienteninformationen, und ich unterliege als Angestellter des Krankenhauses der Schweigepflicht.«
    »Reg dich nicht auf, Bobby, fahr einfach weiter.«
    Wir fuhren über die schleifenförmige Einfahrt zur Notaufnahme in die untere Ebene des Parkhauses. An der heruntergelassenen Schranke hing ein großes Schild: ZUFAHRT NUR FÜR KRANKENHAUSPERSONAL. Bobby öffnete die Schranke mit einer Magnetkarte und lenkte den Wagen in eine Parklücke. Während wir auf den Aufzug warteten, bemerkte ich, dass zwei Lieferwagen des Schädlingsbekämpfungsunternehmens Luv Kraft Pest Control diskret neben einem zum Schneepflug umgerüsteten Ford Pick-up geparkt waren.
    »Bobby, habt ihr denn immer noch Probleme mit Ungeziefer?«
    »Natürlich, Mom. Mit Ratten, Mäusen, Kakerlaken und Ameisen.«
    Mir stockte der Atem. »Ameisen! Was denn für Ameisen? Du hast bisher noch kein Wort von Ameisen gesagt. Im Winter gibt es doch keine Ameisen, oder?« 
    »Doch, es gibt sie, Mom. Ich habe dir doch schon in Boston erzählt, dass das Erdbeben jede Menge Ungeziefer aufgeschreckt hat, oder etwa nicht?« Der Aufzug war da, aber ich war so durcheinander, dass ich kaum einen Fuß vor den anderen setzen konnte. Wir stiegen in die Kabine, und Bobby drückte auf das L für Lobby.
    »Du hast gesagt, dass Ratten über die Leichen hergefallen sind, Bobby. Von Ameisen war nie die Rede. Hast du denn selber welche gesehen?«
    »Ja. Otto und ich haben in einem Lagerraum im Keller des alten Krankenhauses sogar einen Ameisenhaufen gefunden.
    Und Ottos Schäferhund Blondi, den er da unten immer frei laufen lässt, hat eine ganze Kolonie davon angebellt, die sich in einem alten Serverschrank häuslich niedergelassen hatte.«
    »Und was ist mit Madeline Krugers Leiche? Sind über die wirklich Ratten hergefallen? Oder waren es Ameisen?«
    Er drehte mir den Rücken zu. Vermutlich wollte er nicht, dass ich den Beutel mit Pfeifentabak und die Pfeifenreiniger in seiner Manteltasche sah. Am liebsten hätte ich ihn jetzt übers Knie gelegt.
    »Woher soll ich wissen, was über sie hergefallen ist? Ich war doch nicht dabei. Ich habe nur gehört, dass es Ratten waren. Von Ameisen hat niemand etwas gesagt.«
    »Und wo ist die Leiche? Ist sie eingeäschert worden?«
    »Es könnte sein, dass sie noch unten in der Leichenhalle liegt. Soviel ich weiß, ist sich ihre Familie noch immer nicht einig, wie sie beigesetzt werden soll. Diese Leute sind streng katholisch. Während die einen sie auf einem Friedhof beerdigen lassen wollen, würden die anderen ihr am liebsten einen Pfahl durchs Herz stoßen und sie auf irgendeinem Schandacker verscharren. Angeblich soll es in ihrer Familie sogar ein paar New-Age-Häretiker geben, die ihre Asche unter dem Baum des Lebens hinter dem Tempel des Inneren Lichts in der Dimsdale Avenue verstreuen wollen. Inzwischen streiten sie sich schon vor Gericht. Deshalb ist es durchaus möglich, dass das, was von deiner Freundin übrig ist, noch immer bei uns in der Leichenhalle liegt. Von Ray weiß ich übrigens, dass er sie am liebsten einäschern lassen würde, weil das am billigsten ist.«
    Sobald wir das Krankenhaus betreten hatten, liefen mir immer wieder

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