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Das Tagebuch der Patricia White (German Edition)

Das Tagebuch der Patricia White (German Edition)

Titel: Das Tagebuch der Patricia White (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gian Carlo Ronelli
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in der Hütte, nicht in meinem Wagen, nirgendwo. Mein Gehirn spielte mir einen Streich.
    Ich kannte dieses Mädchen nicht. Ich hatte nichts mit ihm zu tun. Aber auch wenn ich mir diese Dinge einzureden versuchte, wusste ich, dass ich mich belog. Denn obwohl das Mädchen nicht mehr auf der Rückbank saß, hatte sie doch etwas zurück gelassen.
    Ich beugte mich in den Wagen und fasste nach der Puppe.
    Sie trug ein hellblaues Ballettkleid. Die blonden Locken waren mit einem blauen Haarband zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Die Lippen waren mit rotem Filzschreiber nachgemalt worden und an der rechten Wange glänzten dicke schwarze Tränen. Das Gesicht der Puppe w irkte traurig, und obwohl die Lippen zu einem Kuss gespitzt waren, hatte ich beim Betrachten das Gefühl, dass aus den blauen Augen jeden Moment Tränen fließen würden.
    Diese Puppe musste bereits im Wagen gelegen haben. Die ganze Zeit. Ich hatte sie nur nicht bemerkt, was in Anbetracht der Hektik plausibel war. Vermutlich war das Auftauchen des Mädchens nur ein Rest an Erinnerung, der in meinem Gedächtnis aufgeblitzt war. Jede andere Erklärung war absurd.
    Ich warf die Puppe zurück auf die Sitzbank un d setzte mich ans Steuer . Das Radio dröhnte laut und mit jeder gefahrenen Meile wuchs die Überzeugung, dass sich alles aufklären würde. Es genügte ein kleiner Lichtstrahl, um die Dunkelheit in meinem Gehirn zu vertreiben. Und dieser Lichtstrahl würde bereits auf mich warten. In New York. 538 Grand Street.
    Ich wechselte auf die Überholspur und presste den Fuß auf das Gaspedal. Die Trucks im Rückspiegel wurden schnell kleiner. Im Minutentakt blickte ich auf den Rücksitz. Kein Mädchen. Nur diese Puppe.
    Lag es am Wechselspiel zwischen Sonnenlicht und Schatten? Vermutlich. Eine andere Erklärung konnte es nicht geben, für den Eindruck, dass die Kunststofflippen bei jedem Blick erneut zu grinsen begannen. Boshaft. Als würde diese Puppe ein Geheimnis hüten und es kaum erwarten kön nen, dass ich es endlich lüfte .

3
     
    New York City, 538 Grand Street.
     
    Die Grand Street zu finden war einfacher, als ich befürchtet hatte. Mein Plan bestand darin, ins Zentrum der Stadt zu fahren und zu hoffen, dass sich eine Art Automatismus in Gang setzte, der mich wie ein Autopilot in meine Wohngegend führte. Doch dieser Automatismus blieb aus. Hatte ich auf dem Highway ins Zentrum noch ansatzweise das Gefühl, diese Stadt zu kennen, löste sich diese Vertrautheit schnell in nichts auf, als ich von der Schnellstraße abfuhr und mich in Chinatown wiederfand. Ziellos fuhr ich umher, bis ich mir sicher war, das erste Mal in New York zu sein. Nichts, rein gar nichts, kam mir auch nur im Entferntesten bekannt vor. Dennoch dauerte es von diesem Zeitpunkt, in dem mich die Verzweiflung zu würgen begann, bis jetzt keine dreißig Minuten. Ein Taxi-Fahrer, der an einer Kreuzung neben mir stand, gab mir durch zwei Handzeichen die Wegbeschreibung: fünf Finger und ein Deut mit dem Zeigefinger nach rechts. Ich bog also die fünfte Straße nach rechts ab und fuhr die Abraham Kazan Street entlang. Sie mündete direkt in die Grand Street. Unweit meines Häuserblocks.
    Die Straße war kaum frequentiert. Nur vereinzelt begegnete n mir Fahrzeug e . Auch auf den Trottoirs befanden sich nur wenige Menschen . Eine ältere Dame, die einen Rollkoffer hinter sich herschleifte. Ein Mann in einem elektrischen Rollstuhl, der aus der Apotheke fuhr, eine Plastiktüte auf seinem Schoß, und eine Mutter, die ihr Kleinkind im Arm hielt und vor der Ampel wartete. Ich bremste. Rote Locken leuchteten um ein mit Sommersprossen übersätes Gesicht. Helle, grüne Augen blitz t en in meine Richtung. Ein kurzer Blickkontakt. Dann drehte sie sich zur Seite.
    Ein Hupen hinter mir schreckte mich auf und ich fuhr weiter . Da ein Schild an der Hauswand mit der Nummer 538 darauf hinwies, dass ich mein Ziel erreicht hatte, hielt Ausschau nach einer P arkmöglichkeit . Doch m eine Gedanken hingen an dieser rothaarigen Frau. Jede Frau hier auf der Straße konnte meine Frau sein. Jedes Kind mein Fleisch und Blut. Und jeder einzelne Mensch konnte mich besser kennen, als ich es tat.
    Selbst jetzt, da ich auf mein Wohnhaus blickte, stieg keinerlei Vertrautheit in mir auf. Ich fühlte mich wie ein Besucher. Ein Fremder, den man in eine Gegend geschickt hatte, die er nie zuvor gesehen hatte. Ich überlegte, ob es eine andere Grand Street geben könnte und mich der Taxilenker schlicht zur falschen gesandt

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