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Das Tagebuch der Patricia White (German Edition)

Das Tagebuch der Patricia White (German Edition)

Titel: Das Tagebuch der Patricia White (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gian Carlo Ronelli
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– in diesem Augenblick sah sie wie ein vierzehn jähriges Mädchen aus – sich selbst überließ. Immerhin hatte sie einen Patienten verloren und auch wenn ich das nicht hundertprozentig beurteilen konnte, hatte ich das Gefühl, dass sie unter Schock stand. Sie brauchte jemanden, der sich um sie kümmerte. Der mit ihr sprach. Der sie aus dieser Lethargie riss. Aber da war niemand.
    Außer mir.
    »Hey, Cindy«, sagte ich leise, dennoch schienen die Worte sie zu erschrecken. Sie starrte kurz in meine Richtung, dann wieder auf ihre Hände. »Seine Zeit war abgelaufen. Sie konnten nichts mehr tun.«
    Cindy schüttelte den Kopf. Ich wusste nicht, ob sie meine Aussage verneinte oder bestätigte, ob sie mir überhaupt zugehört hatte, oder ob meine Worte abprallten, wie Kieselsteine von Panzerglas. Ich vermut ete L etzteres.
    »Cindy?«, fragte ich daher. »Hören Sie mir zu?«
    Jetzt blickte sie in meine Augen. Direkt in mich hinein. Ihre Pupillen waren riesig, ließen nur noch Platz für einen schmalen , hellblauen Ring . Dann nickte sie, langsam, als hätte sie beschämt etwas zugegeben, das sie zuvor geleugnet hatte.
    »Kommen Sie. Setzen Sie sich auf das Bett«, bot ich an und streckte meine rechte Hand nach ihr aus. Immer noch blickte sie mich an. Sie mac hte einen Schritt auf mich zu, s chüttelte dann aber den Kopf und ging langsam am Fußende des Bettes vorbei. Kurz bevor sie das Zimmer verließ, blieb sie stehen und drehte sich zu mir. Ihre Augen schimmerten hinter einem Vorhang aus Tränen. Ihre Lippen zitterten, als versuchte sie , etwas zu sagen. Aber sie schaffte es nicht.
    »Wenn es bei mir um Leben oder Tod geht«, sagte ich, »d ann hoffe ich, dass Sie in der Nähe sind . Weil ich weiß, dass Sie mich zurückholen würden. Sie sind eine gute Krankenschwester.«
    Tränen rannen über ihre Wangen. Sie zeigte auf das Nachtkästchen.
    »D as … Päckchen«, sagte sie. Dann verließ sie das Zimmer.
    Ich blickte ihr nach. Auch, nachdem die Tür schon in das Schloss geknallt war. Ich empfand Mitgefühl. Zuers t wusste ich nicht, warum Cindy s Zustand mich so sehr berührte. Nach und nach wurde es mir aber bewusst. Ich kannte dieses Gefühl. Es schlummerte in mir wie eine nicht verheilte Wunde u nd ich war davon überzeugt: Es war noch nicht lange her, dass auch ich um das Leben eines Menschen gekämpft hatte.
    Und verlor.

8
     
    Das Päckchen lag seit drei Minuten auf meiner Brust und bettelte darum , geöffnet zu werden. Ich starrte es an und wunderte mich über das Bauchgefühl, besser die Finger von dem braunen Packpapier zu lassen.
    Tu dieses verfluchte Päckchen wieder in den Nachttisch, Jack. Und dann vergiss, dass es existiert.
    N achdem an eine Flucht im Moment nicht zu denken war und ich mich nach wie vor weigerte, die Augen auch nur für eine Sekunde zu schließen, pfiff ich auf dieses Gefühl und riss das Papier seitlich auf.
    Ich wusste nicht, was ich erwartet hatte. Vielleicht einen Stapel geheimer Unterlagen, wichtige Informationen, die hochrangige Politiker in Bedrängnis gebracht hätten. Keine Ahnung. Aber damit hatte ich nicht gerechnet. Denn was ich aus dem Papier schälte, lieferte anstatt einer Antwort eine neue Frage: Wie um alles in der Welt kam ich in Besitz dieses Buches?
    Es hatte einen schwarzen Kartoneinband, in dessen Mitte in silbernen Lettern das Wort Tagebuch stand. Ich hielt es in den Händen und vermutlich war es nur Einbildung, dass dieses Buch Wärme ausstrahlte. Nein, keine Wärme. Hitze , a ls hätte es auf einem Heizkörper gelegen, oder wäre gerade eben aus einem dieser Öfen geholt worden, in denen man üblicherweise Pizza bäckt. Dazu kam dieses stetig wachsende Gefühl, dass von diesem Buch Gefahr ausginge. Als befände sich in seinem Inneren eine Bombe, die beim Öffnen explodierte. Aber da war nichts. Es war nur ein Buch. Ein Tagebuch wie es Millionen auf der Welt gab.
    Ich schlug den Einband auf. Eine gemalte Blume strahlte mich an. Ein Stängel in grellem Grün und Blütenblätter in leuchtendem Rot. In der Mitte eines Blütenb lattes stand in geschwungenen Buchstaben Dieses Tagebuch gehört . Auf einer punktierten Linie darunter war in krakeligen Großbuchstaben PATRICIA WHITE geschrieben.
    Patricia White. Ein Mädchen. Nach der unsicheren Schriftführung – die Buchstaben trafen nur in sehr wenigen Fällen die Linie – musste es sich um ein junges Mädchen handeln, gerade mal in der Schule.
    Wieder diese Frage: Wieso hatte ich das Buch dieses Mädchens in

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