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Das Tal Bd. 7 - Die Jagd

Das Tal Bd. 7 - Die Jagd

Titel: Das Tal Bd. 7 - Die Jagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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als handele es sich lediglich um eine Verfärbung der Holzwand, richtet er sich plötzlich auf, wächst, schwebt auf mich zu, hebt die Arme, streckt die Hände nach mir aus … gleich wird er mich packen. Etwas an ihm ist mir vertraut. Und dann ist es plötzlich vorbei.
    Die Übelkeit ist sofort da. Ich übergebe mich und bleibe in meiner eigenen Kotze liegen.
    »Benjamin! Benjamin! Ist alles in Ordnung?«
    Ich antworte David nicht. Soll er doch die Tür einschlagen.
    Wie lange ich unter der eiskalten Dusche sitzen bleibe, den Körper an die kackbraunen Kacheln der Kabine gepresst, weiß ich nicht.
    »Warum, warum, warum?«, frage ich mich laut und schlage mit jedem Warum den Hinterkopf gegen die Wand.

Fake
    I rgendwann schaffe ich es aufzustehen, aber in diesem Zustand will ich den anderen nicht gegenübertreten. Sie werden es mir ansehen. Sie werden es in meinem Gesicht lesen. David mit Sicherheit. Ihm entgeht nichts. Und Robert weiß es vermutlich schon. Das Wasser läuft immer noch, und da der Abfluss verstopft ist, schwappt das Wasser über das Duschbecken und erreicht gerade den gepunkteten Badeteppich, ein Sonderangebot vom Price Chopper in Fields. Erneut schweben bunte Lichtpunkte hoch. Ich schließe die Augen, hole tief Luft und klammere mich an die Stimmen, die von außen zu mir hereindringen. Was machen die anderen noch hier? Die Vorlesungen müssten schon lange angefangen haben.
    Die Überschwemmung um mich herum nimmt unverantwortliche Ausmaße an. Hektisch versuche ich, das Schlimmste zu verhindern, drehe den Wasserhahn ab, stolpere aus der Duschwanne und reiße den Teppich zur Seite. Für einen Moment dreht sich alles, ich rutsche aus und lande auf dem klatschnassen Boden.
    Scheiße.
    Ich muss es irgendwie schaffen, meine alte Coolness wiederzugewinnen. Im Wasserdampf kann ich zunächst das rosafarbene Handtuch, ein Geschenk von Julia und Rose, nicht finden. Der Spiegel ist so beschlagen, dass ich kaum mein Gesicht erkennen kann. Ich schlinge das Tuch um meine Hüften und wische mit der Hand den Spiegel sauber.
    Genau wie ich dachte. Ich sehe aus wie hingekotzt. Auch mein Haar wirkt irgendwie weiß, bis ich merke, dass ich offenbar vergessen habe, das Shampoo auszuwaschen.
    Aber der Anfall ist vorbei. Ich spüre, wie meine Beine zittern, plötzlich habe ich tierischen Hunger, doch die Bilder sind verschwunden.
    Ich lege Chris’ Zahnbürste ins Waschbecken und schöpfe mit dem dazugehörigen Becher das Wasser, so gut es geht, vom Boden. Danach spüle ich den Becher aus, reibe ihn mit meinem Handtuch trocken, stelle die Zahnbürste zurück, wieder genau an den Ort, wo ich sie herhabe.
    Mit Chris ist nicht zu spaßen.
    Dann hole ich tief Luft, versuche, langsam in den Bauch zu atmen, wo gar keiner ist.
    »Dein Body-Maß-Index liegt bei sechzehn! SECHZEHN!«, höre ich den Vampir schimpfen.
    »Und Ihrer mindestens bei sechsundzwanzig. Vielleicht sollten wir einen Deal machen.«
    Der Vampir mag mich aus Mitleid. Und ich mag sie auch, obwohl sie Hüften hat wie eine Fruchtbarkeitsgöttin.
    Seit meinem Klinikaufenthalt muss ich alle vierzehn Tage auf die Krankenstation. Dort wird ein Drogenscreening gemacht, ich werde vermessen, gewogen. Blutabnahme, Urinprobe, EKG. Das ganze Programm. Nur gut, dass sie nicht in meinen Kopf schauen können. Dort würden sie die eigentliche Ursache meines körperlichen Verfalls finden.
    Dann übe ich einen möglichst coolen Gesichtsausdruck im Stil von: »He, was geht ab?« – Oder welchen Spruch auch immer man in so einer Situation von sich gibt. Bin mein eigener Quentin Tarantino. Weiß, wie man Szenen baut, Illusionen erzeugt, Zuschauer täuscht.
    Ich packe meinen Waschbeutel, den Chris immer Beauty-case nennt, weil er nicht aus schwarzem oder braunem Leder ist, sondern knallrot, drehe den Schlüssel um und öffne die Tür.
    Kaffeeduft liegt in der Luft und ich hätte mir keine Sorgen machen müssen, wie ich aussehe, denn keiner von ihnen schaut auch nur hoch, als ich die Küche betrete.
    Vielmehr sitzen alle da, als posierten sie für ein Gruppenfoto Anfang des 20. Jahrhunderts. Damals bemühte man sich noch um eine gewisse Dramatik. Vor dem Fenster David und Rose eng umschlungen. Auf dem Sofa davor sitzen Chris und Julia aufrecht. Die Tassen auf dem Tisch. Und davor auf dem Fußboden Robert, den Kopf dicht über die Tastatur gebeugt, als hinge sein Leben davon ab.
    »Es ist offenbar einfach im Meer verschwunden«, sagt er. »Kurz vor der Landung.«
    Ich durchquere den

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