Das Tal Bd. 7 - Die Jagd
sagte. Sie verstand jedes einzelne Wort.
Sie hielt den Hörer noch immer in der Hand, als abermals die Mozart-Melodie einsetzte. Debbie achtete nicht darauf. Genauso wenig wie auf den Security-Mann, der auf sie einredete und mit dem Kopf ins Innere des Hauses deutete.
Debbie war übel. Kotzübel.
Was sie gehört hatte, war unglaublich.
Und wenn sie der Typ dafür gewesen wäre, dann wäre sie jetzt einfach in Ohnmacht gefallen und besser nie wieder aufgewacht.
One Eye
O h, verflucht. Mein Schädel brummt, als ich den Kopf vorsichtig hebe. Als ob da oben ein Notstromaggregat angesprungen ist. Ich lasse mich zurücksinken. Das Wetter ist garantiert kein Grund aufzustehen. Es gibt überhaupt keinen Grund, das Bett zu verlassen. Ich tue es trotzdem, weil der Lärm mich irritiert. Irgendetwas stimmt nicht. Der erste Blick aus dem Fenster bringt keine Erkenntnis, außer dass es immer noch regnet. Besser gesagt, es gießt, weshalb ich das Fenster schließe. Nun wird das Brummen schwächer, woraus ich schließe, dass es doch nicht in meinem Kopf ist. Vor mir liegt wieder mal ein planloser Tag. Was nicht gut ist, weil ich dann zu viel denke. Die anderen haben es einfacher. Sie konzentrieren sich auf ihr Studium. Aber ich – ich befinde mich in der Warteschleife und habe es nahezu völlig aufgegeben, meine Kurse zu besuchen, rechne jede Minute damit, vor den Dean zitiert zu werden. Bisher bin ich verschont geblieben. Die Versuchung ist groß, einfach zurück ins Bett zu kriechen. In meinem Kopf rattert es. Die Tage werden häufiger, an denen ich nicht mehr unterscheiden kann, was ich geträumt habe und welche Ereignisse tatsächlich passiert sind. Das betrifft auch das Video gestern Nacht.
Your Choice.
Ich kann mich nicht erinnern, je so eine Unterhaltung geführt zu haben. Und dieses seltsame Verhalten von Tim Yellad am Abend auf dem Parkplatz. Seine Andeutungen und Anspielungen? Hat er wirklich Ronnies Namen erwähnt? Und wird er, wenn ich heute um zwei ans Bootshaus komme, tatsächlich dort sein?
Ich entscheide mich dafür, dass ich es mir nicht eingebildet habe. Weil … etwas stimmt nicht. Ich kenne das Gefühl einer Bedrohung. Es bedeutet, ich stehe ganz allein und ausgesetzt in schier endloser Leere – und das heißt, Vorsicht walten zu lassen.
Was ich jetzt brauche, ist eine heiße Dusche. Mit ein paar Schritten bin ich im Badezimmer und schließe die Tür hinter mir ab. Die Luft hier drinnen ist feucht, der Spiegel beschlagen, und wie jedes Mal, wenn ich hier reinkomme, stoße ich meinen Kopf an der Glühbirne, die von der Decke baumelt. Klar. Meine eigene Schuld. Der Lampenschirm aus gelblichem Glas ist zu Bruch gegangen, als ich versucht habe, direkt daneben die neue Kamera zu installieren. Eine Go Pro. Hat eine Stange Geld gekostet, aber ein geiles Gerät. Chris meint, es wäre mein Job, einen neuen Lampenschirm zu besorgen, aber irgendwie bin ich nie dazu gekommen.
Ach ja, noch etwas ist neu. Die Zeit verläuft inzwischen bei mir in Sprüngen. Ich habe immer wieder Aussetzer, das heißt, ich drehe mich nur mal kurz um und schon sind zehn Minuten vergangen. Jedenfalls war es gerade noch still im Apartment und jetzt, plötzlich, höre ich die anderen. Schubladen werden aufgerissen und wieder zugestoßen. Geschirr klappert. Etwas geht zu Bruch und schließlich ertönt ein Schrei.
»Verfluchte Scheiße!«
Dann wird mit Fäusten gegen die Badezimmertür getrommelt. »Ben! Benjamin Fox, he, Alter. Was machst du so ewig da drinnen? Holst du dir einen runter, oder was?«
»Hey Chris, beruhige dich mal. Ist doch nur ein kleiner Schnitt«, höre ich Julia.
»Von wegen, das muss genäht werden, damit es keine Narbe gibt. Ganz abgesehen von einer Blutvergiftung.«
Typisch Chris. Gerade weil seine Testosteronwerte erhöht sind, sollte er endlich einmal einer Selbsthilfegruppe für Hypochonder beitreten. Nur ein Beispiel. Wenn das Apartment überheizt ist, weil Julia ständig friert, greift Chris sofort zum Thermometer. Er bildet sich nämlich ein, Fieber zu haben.
Wieder trifft seine Faust die Tür. »Ben, ich brauche das Desinfektionsspray.«
Ich reagiere nicht, sondern schnappe mir Davids Haarshampoo. Vermutlich ist ihm völlig klar, dass ich es auch benutze, aber er verliert kein Wort darüber. Ich mag es, weil es den modrigen Geruch überdeckt, der im Bad aus dem Abfluss steigt. Auch Davids Männlichkeitshormon hat ein gefährliches Ausmaß angenommen, seit er mit Rose liiert ist. Ich hatte das kommen
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