Das Tal Bd. 7 - Die Jagd
Symbol unseres Schicksals erscheint. Vielleicht zögern wir deshalb den Aufbruch hinaus. Ich überprüfe den Akkustand meiner Filmkamera.
»Gib sie mir«, sagt Chris.
»Was?«
»Die Kamera.«
»Warum?«
»Damit ich dich filmen kann, wenn du … wie sollen wir das nennen? In der Zeit reist, halluzinierst … was schlägst du vor?«
»Was soll das?«, widerspreche ich. »Ich bin doch keine Laborratte.«
»Aber Teil eines Experiments.«
Ich schüttele den Kopf. Das kann er vergessen. Ich gebe meine Kamera nicht aus der Hand, niemals.
»Wir können nicht länger warten«, treibt David uns an. »Wir haben höchstens noch eine Stunde, dann wird es dunkel.«
»Was ist mit Debbie?«, fragt Julia und vergräbt ihre Hände in den Jackentaschen.
»Eigentlich dachte ich, sie wäre im CD. Jedenfalls ist sie nirgends sonst zu finden. Aber unten war abgeschlossen. Und als ich geklopft habe, hat keiner geöffnet. Keine Ahnung, wo sie steckt.«
»Ach ja? Das CD war abgeschlossen? Echt Leute, so langsam glaube ich wirklich, die haben die Schließung des Colleges schon länger geplant.« Chris zieht die Stirn in Falten. »Und uns informieren sie erst einen Tag vorher.«
»Debbie weiß, was sie tut«, sagt Robert. »Ihr unterschätzt sie.«
Katie starrt in den Himmel. »Dann bin ich dafür, sie das tun zu lassen, wofür wir sie unterschätzen. Ich kann echt auf sie verzichten.«
Die anderen lachen, aber ehrlich gesagt, irgendwie denke ich, es würde mir guttun, jemanden um mich zu haben, den ich in den Wahnsinn treiben kann – und nicht umgekehrt.
Nacheinander treten wir ins Freie. Das Gelände sieht aus wie eine Militärzone. Der Blick auf den See ist versperrt, weil das Ufer mit hohen Betonplatten abgesichert ist. Dazu kommen die Bauzäune, die lediglich den Weg Richtung Supermarkt frei lassen, der nur noch bis heute Abend geöffnet ist. Und überall Schilder: Betreten verboten. Das Verlassen der Wege ist untersagt.
»Und was wollen die machen, wenn wir uns nicht daran halten?«, Katie rollt ihren Kopf hin und her, um ihre verspannten Schultern zu lockern. »Uns aus dem College werfen?«
Wir brechen in hysterisches Gelächter aus, und zwar alle gleichzeitig. Als wir uns wieder beruhigt haben, fragt Rose: »Wie kommen wir eigentlich zur Lichtung? Das ganze Ufer steht unter Wasser.«
»Keine Sorge.« Katie wendet sich entschlossen nach links und versucht vergeblich, einer Pfütze auszuweichen. »Hinter den Bungalows geht ein schmaler Pfad über das Plateau in den Wald über. Ist nicht so bequem, aber ihr schafft das schon.«
Das klingt in meinen Ohren ziemlich bedrohlich. Ich bin nicht in der Stimmung für eine Wandertour. Egal, die anderen folgen Katie und ich stapfe hinterher. Wir lassen das Tor, das zur Bungalowsiedlung führt, links liegen und biegen in einen Pfad, auf dem das Wasser zentimeterhoch steht.
Ein kurzer Impuls überfällt mich, einfach umzudrehen, mein Zeug zu packen und von hier oben zu verschwinden. Goodbye Grace Valley. Roberts Gerede von wegen, ich sei der Schlüssel! Noch vor einer Stunde hat er mich damit fast gekriegt, aber jetzt, hier draußen bin ich mir nicht mehr sicher.
Ein Tal ist nichts als ein Ort.
Und ein Schatten nichts als die Abwesenheit von Licht, oder?
Man könnte denken, Robert ist der, der Drogen nimmt. Diese Theorie, ich könnte mich an Dinge erinnern, die vor meiner Geburt passiert sind, weil Erinnerungen unserer Vorfahren mit den Genen weitergegeben werden, klingt ziemlich abgedreht. Selbst wenn er dafür einen Fachbegriff hat. Epigenetik? Nie gehört.
»Wenn das wirklich möglich ist, was du da behauptest«, habe ich zu Robert gesagt, »dann müsste doch jeder ständig den ganzen Scheiß noch einmal erleben, den Eltern, Großeltern und so weiter durchgemacht haben.«
»Nicht jeder«, natürlich hat Robert widersprochen. »Nicht jedes Gen setzt sich durch. Das ist wie bei der Haarfarbe oder der Form deiner Nase.«
Na, toll. Schön, dass es ausgerechnet mich trifft. Ich kann dann nur hoffen, dass mein unbekannter Vater eine entspannte Jugend durchlebte, nicht wie … Kathleen Bellamy.
Ich stolpere, schwanke und mein linker Schuh landet in einer Pfütze.
»Vorsicht!«
Julia, die vor mir geht, rutscht und hätte mich um ein Haar mitgerissen, wenn Chris sie nicht in letzter Sekunde gepackt hätte. Bisher war es nur unangenehm, dem matschigen Pfad zu folgen, der erst relativ sanft angestiegen ist. Aber in der Zwischenzeit hat er sich in einen schmalen Felssteig
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