Das Tal Bd. 7 - Die Jagd
hat, bahnt er sich einen Weg durch die Gitterstäbe der Bäume und fliegt direkt auf uns zu.
Und plötzlich weiß ich, dass die Wolke sich auf uns stürzen wird.
»Was ist das?«, flüstert Rose. »So etwas habe ich noch nie gesehen.«
Mir wird innerhalb von Sekunden ganz komisch, besser gesagt horrormäßig übel. Es ist, als würde ein abgehackter, total wirrer Film in mir ablaufen!
Instinkt, Adrenalin – was auch immer. Ich tue es einfach. Ich werfe mich erneut zu Boden. Nur diesmal freiwillig und brülle: »In Deckung. Kapuzen auf. Gesicht nach unten. Nicht in die Wolke schauen.«
Ich bekomme keine Luft, atme in das Moos und kann nur hoffen, dass die anderen meinen Ratschlag befolgt haben, bevor es zu spät ist.
So liege ich mit geschlossenen Augen, den Arm schützend über dem Kopf, und lausche. Ohne mich zu bewegen, ohne die Ursache für meine plötzliche Angst zu verstehen, lausche ich.
Ich höre, wie es näher kommt.
Ein eiskalter Hauch fährt über mich hinweg. Ich friere bis ins Mark. Aber es ist noch nicht vorbei. Sand rieselt auf mich herunter, wie feine Hagelkörner bleibt er auf mir liegen und ich spüre, wie die winzigen Steinkörner sich in der feuchten Luft miteinander verbinden. In letzter Sekunde schaffe ich es noch, die bloßen Hände unter meinen Körper zu ziehen.
Als sich dicht neben mir jemand bewegt, flüstere ich: »Nicht aufstehen. Liegen bleiben. Nicht atmen.«
Dann ein Aufprall über meinem Kopf und es ist vorbei. In der nachfolgenden Stille spüre ich, wie sich auf meinem Rücken eine schwere Kruste bildet. Ich komme mir vor wie eine Schildkröte.
Ich wage nicht zu atmen. Der Staub verklebt die Nasenlöcher und den Mund. Und meine Gedanken sind nicht länger meine eigenen. Sie fallen durch mich hindurch, als wäre mein Körper ein einziger Hohlraum.
Das ist es also, das Gift. Das Gift des Tals. Das mich damals in die Hölle geschickt hat. Ich bleibe liegen, das Gesicht noch immer nach unten gepresst. Obwohl meine Augen fest geschlossen sind, scheint es, als könnte ich durch das Moos, den Waldboden, die Baumwurzeln entlang in das Innere der Erde sehen.
Ich habe eine Scheißangst. Sie schnürt mir die Luft ab. Am liebsten würde ich aufspringen und einfach weglaufen. Aber Idiot, der ich bin, starre ich durch das Loch ins Innere der Erde. Und ich weiß gleichzeitig, dass ich schon einmal dort war. Nicht genau an dieser Stelle, aber unter der Erde. Ich erinnere mich, dass ich mich in dem weit verzweigten Netz aus Stollen und Gängen des unterirdischen Höhlensystems verirrt habe. Bis das Licht einer Fackel mich blendete und jemand sagte: »Komm mit, Benjamin.«
Lost
M eine Hände nähern sich den Kanten einer Öffnung am Ende eines engen Ganges, durch die ein Lichtschein schimmert. Über mir, unter mir und rechts und links neben mir roher Felsen. Mir tut alles weh, als ich langsam vorwärtskrieche. Meine Muskeln beginnen sich zu verkrampfen, weil sie zu lang in einer Stellung ausharren müssen. Immer wieder muss ich stoppen, wenn ich mit dem Rucksack an der Decke hängen bleibe. Jedes Mal rieselt eine Kaskade von Staub und Geröll herunter, was mir zusätzlich die Luft abschneidet. Meine Brust brennt und ein Sandkorn hat sich in meinem rechten Auge festgesetzt, was mich in den Wahnsinn treibt. Ich spüre, wie mir Tränen das Gesicht herunterlaufen. Oh Scheiße, mir tut alles weh.
Verfluchter Hurensohn, denke ich und meine damit Robert. Es passiert genau das, was er geplant hat. Wie habe ich mich nur darauf einlassen können? Weil ich der totale Freak bin und auf diese Hollywoodscheiße abfahre. Von wegen die bestmögliche aller Welten. Und wo bin ich gelandet? Frühzeitig unter der Erde. Ha, ha, Benjamin, sehr witzig.
Dann schießt mir die nächste Frage durch den Kopf.
Wann? In welcher Zeit befinde ich mich? Werde ich sie gleich wieder treffen – Bishops Gruppe? Der Name Bishop löst eine Welle der Wut in mir aus. Ich hebe den Kopf und wieder lösen sich Sand und Steine aus dem Felsen. Bishop.
Warum ist dann nicht Chris hier an meiner Stelle? Soll er doch das verdammte Medium spielen.
Aber ich muss zugeben, neugierig bin ich schon. Obwohl ich mit dem Bauch direkt auf einem scharfkantigen Stein liege, bewege ich mich nicht weiter, sondern meine Hand greift über die Schulter. Es dauert einige Sekunden, bis ich die Kamera in dem obersten Fach des Rucksacks fühle. Vorsichtig gleiten meine Finger nach links, bis ich das Ende des Reißverschlusses ertaste und ihn
Weitere Kostenlose Bücher