Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Tal der Angst

Das Tal der Angst

Titel: Das Tal der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
Vom Netzwerk:
Lorbeerstrauch, hinter dem wir kauerten, befand sich in einer Entfernung von nicht mehr als einhundert Fuß direkt gegenüber dem Fenster. Plötzlich wurde es mit einem Wimmern der Scharniere aufgestoßen, und wir konnten undeutlich die dunklen Umrisse von Kopf und Schultern eines Mannes erkennen, der in die Finsternis hinausblickte. Einige Minuten lang spähte er so hinaus – auf eine heimliche, verstohlene Art; wie einer, der sich vergewissern will, daß er nicht beobachtet wird. Darauf beugte er sich vor, und in der gespannten Stille vernahmen wir das sanfte Schwappen aufgerührten Wassers. Er schien mit einem Gegenstand, den er in der Hand hielt, im Graben zu stochern. Dann zerrte er plötzlich etwas heraus – wie ein Angler, der einen Fisch an Land bringt –, ein großes, rundes Ding, welches das Licht verdunkelte, als es durch das offene Fenster gezogen wurde.
    »Jetzt!« rief Holmes. »Jetzt!«
    Wir waren alle auf den Beinen und wankten mit steifgefrorenen Gliedern hinter ihm her, während er, mit einem Aufflammen nervöser Energie, wie es ihn gelegentlich zum aktivsten und kräftigsten Mann machen konnte, den ich je kennengelernt habe, schnell über die Brücke rannte und heftig die Glocke betätigte. Von innen ertönte das Knarren von Türriegeln, und der erstaunte Ames stand im Eingang. Holmes wischte ihn wortlos beiseite und stürmte, gefolgt von uns, in das Zimmer, worin sich der Mann aufhielt, den wir beobachtet hatten.
    Die Öllampe auf dem Tisch war die Quelle des Lichtscheins, den wir von draußen gesehen hatten. Sie befand sich nun in der Hand von Cecil Barker, der sie uns entgegenhielt, als wir eintraten. Ihr Licht fiel aufsein kräftiges, entschlossenes, glattrasiertes Gesicht und seine drohenden Augen.
    »Was zum Teufel hat das alles zu bedeuten?« rief er. »Was wollen Sie überhaupt?«
    Holmes warf einen raschen Blick nach allen Seiten und stürzte sich dann auf ein durchnäßtes, zusammengeschnürtes Bündel, das dort lag, wohin man es geschoben hatte: unter dem Schreibtisch.
    »Das hier wollen wir, Mr. Barker. Dieses mit einer Hantel beschwerte Bündel, das Sie eben vom Grund des Grabens emporgezogen haben.«
    Barker starrte Holmes verblüfft an.
    »Woher, zum Donnerwetter, haben Sie davon etwas gewußt?«
    »Ganz einfach, weil ich es dort hineinbefördert habe.«
    »Sie haben es dort hineinbefördert! Sie!«
    »Vielleicht hätte ich sagen sollen: ›wieder dorthin zurückbefördert‹«, sagte Holmes. »Sie werden sich erinnern, Inspektor MacDonald, daß mich das Fehlen einer Hantel etwas stutzig machte. Ich habe Ihre Aufmerksamkeit zwar darauf gelenkt; aber unter dem Druck anderer Ereignisse hatten Sie kaum die Zeit, ihr die Beachtung zu schenken, die es Ihnen ermöglicht hätte, daraus Deduktionen herzuleiten. Wenn ein Gewässer in der Nähe liegt und ein schwerer Gegenstand fehlt, dann ist die Vermutung, daß etwas im Wasser versenkt wurde, nicht sehr weit hergeholt. Der Gedanke verdiente zumindest, überprüft zu werden, und so konnte ich mit Hilfe von Ames, der mich in das Zimmer ließ, und mit Hilfe des Griffes von Dr. Watsons Regenschirm letzte Nacht dieses Bündel herausfischen und untersuchen. Für uns war freilich in erster Linie wichtig, nachweisen zu können, wer es dort versenkte. Dies bewerkstelligten wir mit einem äußerst plumpen Trick: der Ankündigung, daß morgen der Graben trockengelegt werde, was natürlich zur Folge haben sollte, daß, wer immer das Bündel versteckt hatte, es mit größter Gewißheit entfernen würde, sobald die Dunkelheit es zuließ. Nicht weniger als vier Personen können bezeugen, wer die Gelegenheit nutzte, und somit, denke ich, Mr. Barker, haben Sie jetzt das Wort.«
    Sherlock Holmes legte das triefende Bündel auf den Tisch neben die Lampe und löste die Schnur, die es verknotete. Dann zog er eine Hantel daraus hervor und warf sie zu ihrer Gefährtin in der Ecke. Als nächstes brachte er ein Paar Stiefel zum Vorschein. »Amerikanische, wie Sie sehen«, bemerkte er, indem er auf die Spitzen deutete. Dann legte er ein langes, gefährliches Messer in einer Scheide auf den Tisch. Schließlich entwirrte er noch ein Kleiderbündel, das aus einer kompletten Garnitur Unterwäsche, Socken, einem grauen Tweed-Anzug und einem kurzen gelben Mantel bestand.
    »Die Kleidungsstücke sind uninteressant«, bemerkte Holmes, »abgesehen freilich vom Mantel, der eine Fülle vielsagender Einzelheiten aufweist.« Er hielt ihn zärtlich ins Licht, während seine

Weitere Kostenlose Bücher