Das Tal der Angst
beunruhigenden Augen. Ein paar Minuten lang saß er völlig schweigend da.
McMurdo nahm die Prüfung gutgelaunt hin; eine Hand steckte in der Jackentasche, und mit der anderen zwirbelte er seinen braunen Schnurrbart. Plötzlich beugte McGinty sich vor und brachte einen gefährlich aussehenden Revolver zum Vorschein.
»Paß auf, mein Spaßvögelchen«, sagte er; »wenn ich merken sollte, daß du irgendwelche Spielchen mit uns treibst, mach ich kurzen Prozeß mit dir.«
»Das ist ja ein seltsamer Willkommensgruß«, antwortete McMurdo würdevoll, »den der Stuhlmeister einer Freimaurerloge da einem auswärtigen Bruder entbietet.«
»Schon möglich, aber genau als solcher mußt du dich erst noch erweisen«, sagte McGinty, »und gnade dir Gott, wenn du einen Fehler machst. Wo bist du aufgenommen worden?«
»In Chicago, Loge 29.«
»Wann?«
»Am 24. Juni 1872.«
»Welcher Logenmeister?«
»James H. Scott.«
»Wie heißt dein Distriktmeister?«
»Bartholomew Wilson.«
»Hm! Du scheinst bei Prüfungen ganz schlagfertig zu sein. Und was machst du hier?«
»Arbeiten, so wie Sie auch; nur bringt meine Arbeit nicht soviel.«
»Du hast deine Antworten ja ziemlich flink parat.«
»Ja, im Reden war ich schon immer flink.«
»Bist du auch flink im Handeln?«
»Das sagen jedenfalls die, die mich gut kennen.«
»Nun, das stellen wir vielleicht schneller auf die Probe, als du denkst. Hast du schon was über die Loge hier gehört?«
»Ich habe gehört, daß man ein Mann sein muß, um hier Bruder zu sein.«
»Du sagst es, Mr. McMurdo. Warum bist du von Chicago fortgegangen?«
»Eher laß ich mich hängen, als Ihnen das zu sagen.«
McGinty machte große Augen. Er war es nicht gewohnt, solche Antworten zu erhalten, und das amüsierte ihn.
»Und warum willst du’s mir nicht verraten?«
»Weil kein Bruder den anderen belügen darf!«
»Dann ist die Wahrheit wohl zu schlimm, um ausgesprochen zu werden?«
»So können Sie es auch auffassen, wenn Sie wollen.«
»Hör mal, Mister; du kannst nicht erwarten, daß ich als Stuhlmeister einen Mann in die Loge lasse, der für seine Vergangenheit nicht geradestehen kann.«
McMurdo machte ein verwirrtes Gesicht. Dann zog er aus einer Innentasche einen zerknitterten Zeitungsausschnitt.
»Sie würden doch keinen verpfeifen?« sagte er.
»Du kriegst eins in die Fresse; mir so was zu unterstellen«, rief McGinty zornig.
»Sie haben recht, Councillor«, sagte McMurdo sanft. »Ich muß mich entschuldigen. Das war gedankenlos. Gut, jetzt weiß ich, daß ich bei Ihnen sicher bin. Sehen Sie sich diesen Ausschnitt mal an.«
McGinty überflog den Bericht über einen gewissen Jonas Pinto, der im Lake Saloon, Market Street, Chicago, 1874, in der Woche nach Neujahr erschossen worden war.
»Deine Arbeit?« fragte er, als er das Blatt zurückgab.
McMurdo nickte.
»Warum hast du ihn erschossen?«
»Ich habe Uncle Sam geholfen, Dollars zu machen. Meine waren vielleicht nicht aus ganz so gutem Gold wie seine, aber sie sahen genauso gut aus und ließen sich billiger fabrizieren. Dieser Pinto hat mir geholfen, die Blüten zu schmeißen 28 …«
»Zu was?«
»Naja, die Dollars in Umlauf zu bringen, bedeutet das. Dann hat er gesagt, er möchte halbe-halbe. Vielleicht hat er eh schon halbe-halbe gemacht. Ich hab mich nicht damit aufgehalten, das herauszufinden. Ich hab ihn einfach umgelegt und bin ins Kohlerevier verduftet.«
»Warum gerade ins Kohlerevier?«
»Weil ich in den Zeitungen gelesen hab, daß man’s dort nicht so genau nimmt.«
McGinty lachte.
»Zuerst warst du ein Falschmünzer und dann ein Mörder, und jetzt kommst du einfach hierher und denkst, man nimmt dich mit offenen Armen auf?«
»So ungefähr«, antwortete McMurdo.
»Na, ich schätze, du wirst es noch weit bringen. Sag mal, kannst du diese Dollars immer noch machen?«
McMurdo zog ein halbes Dutzend aus der Tasche. »Die hier sind nie durch die Münze in Washington gegangen«, sagte er.
»Was du nicht sagst!« McGinty hielt sie ans Licht mit seiner riesigen Hand, die behaart war wie die eines Gorillas. »Ich kann keinen Unterschied erkennen! Bei Gott, du wirst ein verdammt nützlicher Bruder sein, denke ich. Wir können ein paar schräge Burschen bei uns brauchen, Freund McMurdo, es gibt nämlich Zeiten, wo man sich selbst helfen muß. Wir wären längst mit dem Rücken zur Wand, wenn wir nicht die, die uns drücken, immer zurückstoßen würden.«
»Tja, ich schätze, zusammen mit den übrigen Jungs könnt
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