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Das Tal der Wiesel

Das Tal der Wiesel

Titel: Das Tal der Wiesel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.R. Lloyd
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hechtähnlich, ein dahingleitender Pfeil, der mit erschreckender Geschwindigkeit größer wurde. Die Verwandlung war unbeschreiblich. Das langsam schlurfende Tier war zum tödlichen Geschoß geworden, geschmeidig und schnell, einen schmalen, wirbelnden Strom hinter sich herziehend. Durch das unvermittelte Erscheinen der Nerzin kam es Kine vor, als ob er bewegungslos wäre, als ob er selbst aufgehört hätte zu schwimmen. Und als er sie anstarrte, wurde ihr Gatte sichtbar, der neben ihr dahinglitt.
    Plötzlich wurde Kine sich seiner Torheit bewußt: der Torheit, in das Element der Nerze eingedrungen zu sein. Auf dem Land konnte er glänzen, doch im Wasser hatte er Schwierigkeiten, war er ein Nichts. Selbst der Wassermolch war ein besserer Schwimmer als er. Die auf ihn zurasenden Gestalten begrenzten sein Blickfeld immer mehr, und das Wiesel schlug einen Purzelbaum im flüssigen Alptraum, tauchte mit schmerzender Lunge dem Grund entgegen.
    Es handelte sich um eine Verzweiflungstat, ein Hinabtauchen auf einen Friedhof aus Schlick und Schlamm, wo sich die Geschöpfe der niedrigsten Arten versteckt hielten. Er sah flache, vom Wasser geglättete Steine, an denen sich Blutegel festgesetzt hatten. Ein Flußkrebs starrte furchtsam aus einer überschwemmten Höhlung hervor. Kines Kopf dröhnte. Er brauchte unbedingt Luft, doch die schrecklichen Kiefer befanden sich über ihm, und er drängte nach unten. Es war lebensnotwendig, den Grund zu erreichen, den graufarbenen Schlick, wo die Flußmuschel ihren Graben zog. Er steuerte auf die Muschel zu, konzentrierte sich auf die gekrümmten Linien, die ihre schlammige Schale verzierten. Sie signalisierten Überleben, das dringende Gebot, das Kines Sinne beherrschte.
    Das Wiesel erreichte den Schlick, wühlte ihn mit seinen Pfoten auf, bis er langsam aufstieg und in einer dichten Wolke zur Oberfläche hinauftrieb. Kine bekam keine Luft mehr, und er glaubte, daß im nächsten Augenblick seine Lunge zerbersten würde. Durch die Schlammwolke blind geworden, schwamm er, in ihrem Zentrum verborgen, nach oben, bis sich sein Kopf in der frischen Luft befand; er spuckte Wasser und kämpfte sich verzweifelt ans nahe Ufer. Er ließ sich auf die Erde fallen und lag für eine Weile keuchend da. Von oben sah der Fluß friedlich aus, das Drama in den Tiefen schien der Phantasie entsprungen zu sein.
    Doch die Flüssigkeit, die er ausstieß, war wirklich, und er fühlte sich elend. Der dunkle Schlamm auf der Oberfläche des Wassers löste sich allmählich auf. Der Fluß schimmerte. Als Kine gerade wieder zu Kräften kam, hob sich das Wasser, und das schwarze Monster tauchte aus einem Schaumwirbel auf. Der durchnäßte Kopf der Nerzin drehte sich heftig herum. Sie war nicht weiter als einen Katzensprung vom Wiesel entfernt, und Kine dachte an Kia. »Du wirst laufen, wenn du dieses Wesen siehst, das sag’ ich dir.« Er war nicht davongelaufen. Er war ihm gefolgt, hatte es beobachtet und überlistet. Doch nun rannte er, zog sich ohne Scham eilig vom Ufer zurück.
    Eine Stunde später, am Waldrand, war er noch immer aufgebracht und empört. Er sprang leidenschaftlich in die Höhe. »Es hat keinen Sinn!« sagte Kia zu ihm. »Du kannst nicht gegen sie kämpfen. Sie würden dich zerreißen.«
    »Solche Untiere an der Grenze! Ich würde eher sterben! Mit den Zähnen im Genick eines dieser Tiere würde ich sterben.«
    Zwei Schwäne flogen auf sie zu. Der pulsierende Rhythmus ihrer Flügel war im Umkreis von einem Kilometer zu hören, ein Summen, ähnlich dem von ausschwärmenden Bienen, das anschwoll, als sie sich näherten, bis es dem Lärm von durchgehenden Stieren ähnelte. Plötzlich verstummten sie und glitten vom Wald in das Marschland hinunter. Kine blickte auf die Kanäle. »Ich hätte dir damals glauben sollen«, sagte er zu Kia.
    »Am liebsten hätte ich mir auch nicht geglaubt. Doch was soll’s? Auch dann wären sie noch hiergewesen, Kine.«
    »Bei Sonne und Mond!« Er sah auf das Marschland hinab und nahm eine drohende Haltung ein, als er an die Eindringlinge dort, die Monster, dachte. Sie würden das Wasser und das Flußufer beherrschen. Es handelte sich um Räuber, um furchterregende Fremdlinge, die die altehrwürdigen Gesetze des Tales bedrohten. Er sagte: »Bei Sonne und Mond, bevor sie sich in dieser Gegend niederlassen, werde ich sterben!«
    »Vielleicht ziehen sie weiter«, meinte Kia in dem Versuch, ihn zu beruhigen.
    »Ja, wahrscheinlich in die Marsch, und was passiert dann?« Es war

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