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Das Tal der Wiesel

Das Tal der Wiesel

Titel: Das Tal der Wiesel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.R. Lloyd
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auf einem Stein blickte vereinsamt. Manchmal konnte ein Tier so lange allein am Ufer sitzen, daß ein vorbeitreibendes Holzstück gesellig erschien. Zu anderen Zeiten ging es dort recht lebhaft zu. Man konnte es nicht voraussehen, dachte Kine am Ufer. Man konnte zum Fluß hinunterkommen und in einer kleinen Einbuchtung einen Schaumkegel vorfinden, der durch sich hin- und herschlängelnde junge Aale hervorgerufen wurde, oder Wasservögel, die gerade eine Regatta veranstalteten, oder Frösche, am ganzen Ufer entlang, die sich sonnten.
    Rötelmäuse waren dann zu sehen – samtweiche Nahrung –, die ins Wasser flüchteten, wenn Kine sie verfolgte. Er schwamm ihnen hinterher. Sie paddelten mit einer rennenden Bewegung ihrer kurzen Beine, tauchten wie kleine Schuten leicht unter, wenn sie hart bedrängt wurden, und er schnappte sie dann in den grüngefärbten Fluten. Manchmal wärmten sich Kaninchen im Ried neben dem Fluß. Er hatte sie dort überrascht, und einmal hatte er eine halb ausgewachsene Ratte erwischt, die dort ans Wasser gekommen war, wo der Fluß eine leichte Biegung beschrieb.
    Nun aber befand sich Kine allein an dem breiten Gewässer. Er sprang die Böschung hinauf, schüttelte sich und blickte zum fernen Ufer hinüber, auf die schlammige Sumpfgraslandschaft; sie reizte ihn überhaupt nicht, und er dachte mit gemischten Gefühlen an Kias Streifzug dorthin. Es mag töricht gewesen sein, vielleicht eine draufgängerische Unternehmung, die ihrer Unreife zuzuschreiben war, doch er mußte zugeben, daß es einigen Mut erfordert hatte, genauso wie ihr rechtzeitiges Erscheinen in der Scheune. Die alte Wieselin in der Weide wäre stolz auf sie gewesen. Kia war voller Elan. Mit Freude dachte er, daß sie alle Voraussetzungen erfüllte, um in die Fußstapfen seiner Mutter zu treten.
    Er schnupperte beiläufig nach Nahrung, doch für Seefrösche war die Jahreszeit noch zu früh, und die Wühlmäuse hatten sich noch nicht eingenistet, da sich der Wasserspiegel des Flusses erst vor kurzem gesenkt hatte. Die Wärme verführte ihn dazu, sich einfach zwischen den Pflanzen auszustrecken und die Sonnenstrahlen zu genießen. Müßiggang war manchmal recht einträglich, denn Mahlzeiten hatten es an sich, daß sie von selbst kamen, wenn man sich ruhig verhielt, und Kine war – wie alle Wiesel – geschickt darin, wachsam zu schlummern.
    Die Einsamkeit des gleichmäßig dahinziehenden Flusses wirkte einschläfernd. Ein kleiner Strand unter ihm war von den Schatten der Riedgräser überzogen, die ab und zu von einer flüsternden Brise hin und her bewegt wurden. Elritzen tummelten sich im flachen Wasser. Kine beobachtete sie und dachte mit einer müßigen Sehnsucht an die Tage, an denen er mit jugendlicher Begeisterung wieder vergebens den kleinen Fischen nachjagen würde. In der Mitte des Flusses breitete sich ein schäumender Kreis aus und verschwand allmählich, was auf die Gegenwart größerer Fische schließen ließ. Eine schwimmende Flasche trieb flüchtig durchs Bewußtsein.
    Kine blickte ziellos umher. Die Kuckuckslichtnelke blühte bereits, lanzettförmige Blätter umsäumten den Stengel, an dessen Spitze blasse, malvenfarbige Blüten wuchsen. Darüber, hoch oben in der Luft, schwang sich ein Reiher im warmen Aufwind, Spiralen beschreibend, empor, bis er im blauen Dunstschleier zur Größe einer Lerche zusammenschrumpfte. Kein Laut war zu hören, doch ein sechster Sinn teilte Kine mit, daß er nicht länger allein war, und er streckte sich vorsichtig. Kein Geruch lag in der Luft. Der leichte Wind, der vom Landesinneren herüberwehte, barg keine Gefahr in sich. Doch er registrierte die Gegenwart von etwas Bedrohlichem. Hatte das Wiesel im anderen Land seinen Ruf gehört? Langsam bewegte sich Kine, um ungehindert durch die hochgewachsenen Blätter hindurch über den Fluß sehen zu können.
    Der Strom floß arglos dahin. Nur der Wind bewegte seine Oberfläche, ließ das Wasser dort leicht kräuseln, wo die Richtung kurzzeitig etwas geändert wurde. Der Fluß lag verlassen da. Selbst die Bachstelze war von ihrem Stein verschwunden. Bis zum fernen Ufer, den vereinzelten Salweiden und dem baumbestandenen Burghügel war nichts zu entdecken. So weit, wie Kine sehen konnte, bis zu dem Nebelschleier, der den Horizont auflöste, gab es keine Anzeichen für Tier oder Mensch. Die Schafe grasten irgendwo anders, ihre Begleiter, die Stare, waren offensichtlich mitgezogen. Weit in der Ferne hörte man ein tiefes Grollen, vielleicht ein

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