Das Tal der Wiesel
des Mädchens verriet eine leichte Selbstzufriedenheit. »Er hat die Pumpe gewartet«, sagte sie.
»Ich nehme an, er wollte Kaninchen haben.« Der Mann klappte die Schrotflinte ungeschickt auf. »Ich habe keine«, brummte er, während er das Mädchen über die Läufe hinweg kurz anblickte. »Werde auch keine mehr haben, bis ich wieder arbeiten kann.«
»Arbeiten?« fragte das Mädchen. »Seit wann arbeitest du denn? Es wird dir nicht bessergehen, bis du einen Arzt aufgesucht hast, du dickköpfiger Esel!«
»Zur Hölle mit den Ärzten! Hör auf zu nörgeln, Mädchen! Verflucht, ich brauche kein junges Ding, das andauernd an mir herumnörgelt.«
Kine kletterte höher, um seine Sicht in das Zimmer und auf die entfernte Wiese zu verbessern. Draußen konnte er die Kaninchen sehen, die sich mit Saudisteln und Löwenzahn vollfraßen; drinnen ihren kranken Feind, der hilflos dahinsiechte. Der Anblick war ermutigend, und er dachte, daß Kia recht gehabt hatte: Bei manchen Auseinandersetzungen war es wichtiger, Geduld zu üben, als eine impulsive Leidenschaftlichkeit an den Tag zu legen. Wilderer schien jetzt harmlos zu sein. Sein Garten, der schon immer etwas unwirtlich ausgesehen hatte, war zu einem Dschungel aus Ampfern und Quecken geworden. Das Gras hatte die verwelkten Narzissen überwachsen und bot den langschwänzigen Feldmäusen, die Kine gerne jagte, gute Deckung.
Sogar Wilderers Terrier war demoralisiert. Er knurrte zu Kine hinauf, der sich in der Hecke sicher fühlte und ihn anfauchte. Für eine Weile nahm der Hund die Beschimpfungen entgegen, dann wandte er frustriert sein Interesse einem Igel zu, der unter einer Stechpalme auf Wilderers Hof döste. Der gut geschützte Igel zeigte sich unbeeindruckt. Der Hund knurrte wütend, verdrückte sich, noch immer knurrend, und scharrte trübsinnig im Boden herum.
»Einige Männer«, erwiderte das Mädchen lebhaft, »sind gerne mit mir zusammen. Er zum Beispiel.«
»Junge Burschen«, knurrte Wilderer gereizt. »Wo ist das Öl fürs Gewehr?«
Im Gegensatz zum Garten hatte sich das Wohnzimmer vorteilhaft verändert. Die Gegenwart des Mädchens war überall zu bemerken. Wilderers Möbelstücke glänzten frisch, und der Duft von Bienenwachs erfüllte den Raum. Der Kamin war sauber, war sogar vom Holzteer befreit worden. Sie hatte die verfilzten Matten ausgeklopft und den Steinfußboden geschrubbt. Die Tochter des Bauern hatte hart arbeiten müssen, aber nun gab es viele und deutliche Zeichen ihres Wirkens. Wilderers trübe gewordenen Erinnerungsmedaillen waren poliert worden und glänzten im Schrank, während Wildblumen in einer hübschen Vase den Tisch schmückten. Wilderers Murren klang schon weniger überzeugend als vorher.
»Er hat mich eingeladen, der Techniker. Ich mag ihn, Wilderer.«
»Junge Burschen! Trau ihnen nicht, Mädchen!«
»Ich traue dir nicht, du böser Heide, ich kenne dich zu gut. Er ist ein netter Kerl.«
Wilderer blickte finster. »Nimm dich in acht vor ihnen!«
Düster sah er sie an, gedankenverloren. Er erinnerte sich an eine Zeit, die sehr weit zurücklag, obwohl es erst gestern gewesen zu sein schien: der junge Mann in Uniform, das Mädchen, das ihr so sehr glich, ebenso selbstbewußt. Er konnte noch den Wald riechen – er hatte sich kaum verändert – und ihr Lachen hören, das zwischen den schweigsamen Bäumen hindurch erklang. Auch damals hatten die Hasenglöckchen gerade begonnen, ihre Blütenpracht zu entfalten. Er war stark gewesen, stark für das Mädchen, und wenige Wochen später, für die Strände der Normandie. Und sie war vernünftig gewesen, denn sie hatte den Bauern geheiratet, einen zuverlässigen Mann, während Wilderer den Rhein überquert und einen anderen Wald betreten hatte, den Diersfordter Wald.
»Ja, nimm dich in acht vor ihnen.«
»Hör auf!« Sie rückte die Blumen zurecht und blinzelte schelmisch. »Er hat einiges auf dem Kasten«, sagte sie zu dem Kranken. »Mehr als du.« Ein Blick für Tatsachen, dachte sie, die Fähigkeit, Bücher zu lesen, und einen guten Beruf. Ein Techniker, überlegte sie, das ist schon jemand. Es wird nicht jeder losgeschickt, um die Pumpen am Fluß zu warten. Ihr hatte das Gesicht des jungen Mannes gefallen und seine schlanke Figur und die Tatsache, daß er fast einen Kopf größer war als sie. Wenn er gegrinst hatte, war es ansprechend gewesen, keck, aber nicht übertrieben, genau das richtige Maß. »Trotz alledem«, bekräftigte sie noch einmal. »Ich werde mit ihm
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