Das Tal der Wiesel
nicht sicher. Wir müssen vor den Flammen wegrennen, zum Wasser hin.«
»Dann laß uns die Furchen entlanglaufen …«
»Wie der Wind«, meinte der Kleine, »sonst verbrennen wir!«
Kine war schon unterwegs. »Genau, junger Freund«, rief er durch den Tumult hindurch. »Wie der Wind!«
Sie folgten den Furchen, rannten bergab. Qualm wirbelte in der Luft, die Flammen tobten dicht hinter ihnen, die drückende Hitze wirkte betäubend. Bei jedem hastigen, gestreckten Sprung kam Kine so hoch, daß er über die Stoppelreihe neben ihm blicken konnte, und sah, wie das brodelnde Feuer das Feld in seiner ganzen Breite verbrannte. Auf der rechten Seite waren sie schon von den Flammen überholt worden, eine vorwärts jagende schwarze und orangefarbene Wand, deren Wildheit Kine in Schrecken versetzte. Ein vereinzelter Baum stand dem Feuer im Weg. Für einen Augenblick verschlangen die Flammen den Baumstamm, dann stürmten sie weiter und ließen ihn genauso schwarz zurück wie das verbrannte Stroh. Gierig machte sich die lebendige Wand über die Stoppeln her. Zungen schnellten aus dem Inferno heraus, schleuderten rauchende Funken in die Luft und wurden von der vorwärts gleitenden Welle wieder verschluckt.
Auch auf der linken Seite waren die Wiesel nun von dem Feuer überholt worden. Kine bemerkte, daß sie sich zwischen den Spitzen einer lodernden Sichel befanden, deren Mitte nach ihren flüchtenden Hinterpfoten schnappte. Nur eine leichte Änderung der Windrichtung, und eine der Spitzen konnte sich nach innen bewegen, somit ihren Fluchtweg abschneiden und ihre schmalen, geplagten Körper in Asche verwandeln. Er kam ins Straucheln. »Schneller!« Stolpernd sprang er vorwärts. »Der Wind wird stärker.«
Ein Kaninchen lief ihnen kraftlos in den Weg, erblindet durch die Myxomatose, die tödliche Kaninchenkrankheit. Von Panik ergriffen, torkelte es benommen auf die Qualmwolke zu und verschwand darin. Als sie von dem erstickenden Nebel umhüllt wurden, liefen auch die Wiesel blindlings voran, konnten sich lediglich an den Zäunen, die die Getreidestoppeln an ihren Seiten bildeten, orientieren. Für einen kurzen Moment wurde der Qualm von einem Flammendach, das noch furchterregender war, vertrieben, und in diesem Moment fühlte Kine eine Hitze auf seinem Rücken, die einen derart starken Schmerz verursachte, daß seine erlahmten Muskeln belebt wurden. Er schoß verzweifelt nach vorne, lief dem Heidewiesel hinterher.
»Kannst du die anderen sehen?«
»Der Qualm ist zu dicht.«
»Hoffentlich sind sie vor uns …« Kaum ausgesprochen, enthüllte eine Lücke in dem wabernden Dunkel ein Wiesel an ihrer Seite, das sich wellenförmig durch die Stoppeln bewegte, aus denen der Qualm hervorströmte. Der Qualm wurde heftig aufgewirbelt, und das Tier verschwand, Kine erblickte es noch einmal kurz, aber es war entsetzlich, brennendes Fell, vom Feuer verschlungen, dann war von dem Wiesel nichts mehr zu sehen. Die Hitze stürzte sich in glühenden Wellen auf ihn. Unterhalb der riesigen Wolke war es dunkel, als ob es dämmerte und die letzten Sonnenstrahlen mit einem roten Aufleuchten die Finsternis ankündigten.
In dem unheilvollen, düsteren Licht rannte ein weiteres Wiesel vor ihnen, und Kine konnte, als er aufholte, sehen, daß es sich um Ford handelte – und daß Ford sich nur noch mühsam fortbewegte und langsamer wurde. Kine arbeitete sich an ihn heran, seine Augen tränten. Der Qualm drohte ihn zu ersticken und verwandelte seine anspornenden Zurufe in ein abgehacktes Keuchen: »Lauf weiter … ist nicht mehr weit … renn weiter, Ford …«
Die Flammen türmten sich über ihnen auf. Das Brausen des Feuers, das laute Knacken dicht hinter ihnen, das plötzlich noch anschwoll, war betäubend, und der Aufschrei des Kleinen, der sich immer noch kurz vor Kine befand, kaum zu hören. »Der Wind – er dreht sich. Wir müssen die Richtung ändern.«
Kine sah mit einem verschwommenen Blick nach rechts. Die Spitze drehte sich auf sie zu, bewegte sich nach innen und drohte die Fliehenden einzuschließen. Die Hoffnung schwand. Die Wiesel mußten nun in schräger Richtung weiterjagen und sich durch die starren Stoppeln kämpfen, um nicht nur den hinter ihnen befindlichen Flammen zu entkommen, sondern auch denen, die ihren Fluchtweg zum Wasser abschneiden wollten. Kine schwenkte nach halblinks, brach wie ein wildes Pferd beim Hindernisrennen diagonal durch die Stoppelreihen und hinterließ eine Spur in den bleichen Zäunen. Das langsamere
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