Das Tao der Physik
Steinskulptur aus dem Citragupta-Tempel von Khajuraho, um 1000
n. Chr.
Bild 2: Der große Gott Shiva Mahesvara. in seinen drei Aspekten (vgl. Kapitel
11). Aus dem Shiva-Tempel in Elephanta, 8. Jahrhundert n. Chr.
Bild 3: Anordnung der acht Trigramme, die ein Abbild allen kosmischen und
menschlichen Geschehens sind (vgl. Kapitel 17), auf einem achteckigen Tuschestein von Ch'-eng Chung-fang, 17. Jahrhundert.
Bild 4: Das Antlitz, des Buddha, transzendentale Ruhe und Spiritualität aus- strahlend (vgl. Kapitel 6). Steinskulptur aus Indien, 5. Jahrhundert n. Chr.
Bild 5: Kalligraphie — eine östliche Weise , den meditativen Bewußtseinszustand
ZU wecken (vgl. Kapitel 2). »Geist-Mond-Kreis« von Ryokwan, 18. oder frühes
, 19. Jahrhundert.
Bild 6: Shiva in adrogyner Gestalt — halb männlich, halb weiblich — als Symbol
der Einheit der Geschlechter (vgl. Kapitel 11). Aus dem Shiva-Tempel in Ele - phanta. 8. Jahrhundert n. Chr.
Bild 7: Der Tanz Shivas, dargestellt von östlichen Künstlern aus dem 12. Jahr - hunder! und westlichen Physikern aus dem 20. Jahrhundert (vgl. Kapitel 15),
Buddhismus 6
Der Buddhismus war für viele Jahrhunderte die vorherrschende religiöse Tradition im größten Teil Asiens, einschließlich Tndochina sowie Sri Lanka, Nepal, Tibet, China, Korea und
Japan. Wie der Hinduismus in Indien hatte er starken Einfluß
auf das intellektuelle, kulturelle und künstlerische Leben dieser
Länder. Im Gegensatz zum Hinduismus geht der Buddhismus
jedoch auf einen einzelnen Gründer zurück, auf Siddharta
Gautama, den »historischen« Buddha. Er lebte in Indien in der
Mitte des sechsten Jahrhunderts v. Chr., zu einer außergewöhnlichen Zeit, in der so viele spirituelle und philosophische
Genies geboren wurden: Konfuzius und Lao-tzu in China, Zarathustra in Persien, Pythagoras und Heraklit in Griechenland.
Der Hinduismus ist mythologisch und ritualistisch ausgerichtet, der Buddhismus ausgesprochen psychologisch. Der
Buddha war nicht daran interessiert, menschliche Neugier über
den Ursprung der Welt, die Natur des Göttlichen oder ähnliche
Fragen zu befriedigen. Ihn
kümmerte ausschließlich die
menschliche Situation, die Leiden und Frustrationen der Menschen.
Seine Lehre war
daher psychotherapeutisch, nicht
metaphysisch. Er wies auf den Ursprung menschlicher Frustrationen hin und auf den Weg, diese zu überwinden. Hierfür verwendete er traditionelle indische Begriffe wie Maya, Karma,
Nirvana etc., die er neu, dynamisch und psychologisch direkt
anwendbar deutete.
Nach Buddhas Tod entwickelte sich der Buddhismus in zwei
Hauptrichtungen, Hinayana und Mahayana. Hinayana, oder
der »Kleine Wagen«, ist eine orthodoxe Schule, die auf der
wörtlichen Lehre Buddhas beharrt, während Mahayana, oder
der »Große Wagen«, eine flexiblere Haltung einnimmt und
glaubt, daß der Geist der Lehre wichtiger ist als ihre ursprüngliche Formulierung. Die Hinayana-Schule etablierte sich in Ceylon, Burma und Thailand, während sich Mahayana in Nepal,
Tibet, China und Japan ausbreitete und schließlich zur bedeutenderen von beiden wurde. In Indien selbst wurde der Buddhismus nach vielen Jahrhunderten vom flexiblen und assimilierenden
Hinduismus absorbiert, und der Buddha wurde
schließlich als eine Inkarnation des
vielgesichtigen
Gottes
Vishnu übernommen.
Der sich über Asien ausbreitende Mahayana-Buddhismus
kam mit Menschen vieler verschiedener Kulturen und Mentalitäten in Berührung, die Buddhas Lehre nach ihren eigenen Ansichten deuteten, manche Feinheit vertieften und ihre eigenen
Vorstellungen hinzufügten. Auf diese Weise hielten sie den
Buddhismus über Jahrhunderte lebendig und entwickelten eine
subtile Philosophie mit tiefen
psychologischen
Einsichten.
Trotz des hohen intellektuellen Niveaus dieser Philosophie verliert sich der Mahayana-Buddhismus jedoch nie in abstrakten
Spekulationen. Wie immer in der östlichen Mystik wird der Intellekt lediglich als Mittel betrachtet, den Weg zur direkten mystischen Erfahrung freizumachen, welche die Buddhisten das
»Erwachen« nennen. Das Wesen dieser Erfahrung liegt darin,
daß die Grenzen der intellektuellen Unterscheidungen und
Gegensätze überschritten werden, um die Welt von acintya zu
erreichen, das Undenkbare, wo die Wirklichkeit als ungeteiltes
und undifferenziertes »So-Sein« erscheint.
Dies war die Erfahrung, die
Siddharta Gautama eines
Nachts, nach sieben Jahren strenger Askese in den Wäldern,
machte. Wie er in tiefer Meditation unter dem
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