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Das Tao der Physik

Das Tao der Physik

Titel: Das Tao der Physik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritjof Capra
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Dharmakaya ähnelt dem brahman im Hinduismus. Es durchdringt alle materiellen Dinge im Universum und wird auch im menschlichen
Verstand als bodhi reflektiert, als erleuchtete Weisheit. Sie ist
somit gleichzeitig geistig und materiell.
    Die Betonung von Liebe und Barmherzigkeit als wesentliche
Bestandteile der Weisheit kam am stärksten im Ideal des Bodhisattva zum Ausdruck, eine der charakteristischen Entwicklungen des Mahayana-Buddhismus. Ein Bodhisattva ist ein
hochentwickelter Mensch, der auf dem Wege ist, ein Buddha zu
werden und die Erleuchtung nicht für sich allein sucht, sondern
vor seinem Einzug in das Nirvana allen anderen Wesen helfen
will, die Buddhaschaft zu erreichen. Der Ursprung dieser Vorstellung liegt in der Entscheidung des Buddha - in der buddhistischen Überlieferung als bewußte und durchaus nicht leichte
Entscheidung dargestellt -, nicht einfach in das Nirvana einzuziehen, sondern zur Welt zurückzukehren, um seinen Mitmenschen den Weg zum Heil zu zeigen. Das Bodhisattva-Ideal steht
auch im Einklang mit der buddhistischen Doktrin vom NichtEgo, denn wenn es kein separates individuelles Selbst gibt, ist
die Vorstellung eines für sich allein in das Nirvana einziehenden Individuums offensichtlich sinnlos.
    Das Element des Glaubens schließlich wird in der sogenannten Reine-Land-Schule des Mahayana-Buddhismus hervorgehoben. Die Basis dieser Schule ist die buddhistische Lehre, daß
die ursprüngliche Natur aller Menschen die eines Buddha ist
und daß man nur an seine ursprüngliche Buddha-Natur glauben muß, um in das Nirvana eingehen zu können.
    Nach der Meinung vieler Autoren haben buddhistische Gedanken ihren Höhepunkt in der »Avatamsaka«-Schule erreicht, die auf dem Sutra gleichen Namens basiert. Dieses Sutra
gilt als Kern des Mahayana-Buddhismus und wird von Suzuki
mit den enthusiastischen Worten gepriesen:
    Die Avatamsaka-Schule ist wirklich die Summe buddhistischer Gedanken,
buddhistischer Gefühle und buddhistischer Erfahrung.
Nach meiner Meinung kann keine religiöse Literatur in der Welt
jemals die Großartigkeit der Konzeption, der Tiefe des Gefühls und
der großartigen Gestaltung dieses Sutras nahekommen. Es ist der
Urquell des Lebens, von dem kein religiöser Geist durstig oder nur
teilweise befriedigt zurückkehrt. 3
    Als der Mahayana-Buddhismus sich über Asien ausbreitete,
regte dieses Sutra mehr als alles andere chinesische und japanische Denker an. Der Kontrast zwischen Chinesen und Japanern einerseits und Indern andererseits ist so groß, daß man
sagte, sie repräsentieren zwei Pole des menschlichen Geistes.
Während die ersteren praktisch, pragmatisch und sozial eingestellt sind, sind letztere phantasievoll, metaphysisch und transzendental. Als die chinesischen und japanischen Philosophen
das Avatamsaka, eine der größten vom indischen religiösen
Genie hervorgebrachten Schriften, übersetzten und deuteten,
vereinten sich beide Pole und bildeten eine neue dynamische
Einheit. Das Ergebnis war die Hua-yen -Philosophie in China
und die Kegon -Philosophie
in Japan, die nach Suzuki »den
Gipfel buddhistischen Denkens, der im Fernen Osten in den
letzten zweitausend Jahren entwickelt wurde« 4 , darstellen.
    Das Zentralthema des Avatamsaka ist die Einheit und der
innere Zusammenhang aller Dinge und Ereignisse, eine Vorstellung, die nicht nur die eigentliche Essenz der östlichen
Weltanschauung ist, sondern auch eines der Grundelemente
der Weltanschauung der modernen Physik. Daher wird man
sehen, daß dasAvatamsaka-Sutra, dieser alte religiöse Text, die
auffallendsten Parallelen zu den Modellen und Theorien der
modernen Physik bietet.
Chinesisches Denken 7
    Als der Buddhismus um das erste Jahrhundert nach China kam,
begegnete er einer mehr als zweitausend Jahre alten Kultur. In
dieser alten Kultur hatten philosophische Gedanken ihren Höhepunkt in der späten Chou-Periode (ca. 500—221 v. Chr.) erreicht, dem Goldenen Zeitalter der chinesischen Philosophie,
und sie genossen von da an immer die höchste Achtung.
    Von Anfang an hatte diese Philosophie zwei sich ergänzende
Aspekte. Da die Chinesen praktisch veranlagte Menschen mit
einem hochentwickelten sozialen Bewußtsein sind, befaßten
sich alle ihre philosophischen Schulen irgendwie mit dem Leben in der Gesellschaft, mit menschlichen Beziehungen, moralischen Werten und der Regierung. Dies ist aber nur ein Aspekt
der chinesischen Gedankenwelt. Ergänzt wird er durch die mystische Seite des chinesischen Charakters, der verlangt,

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