Das Tao der Physik
als
Folge einer Kraft zu sehen ist, sondern eher als Tendenz, die allen Dingen und Situationen eigen ist. Die Bewegungen des Tao
werden ihm nicht aufgezwungen, sondern entstehen natürlich
und spontan. Das taoistische Prinzip der Aktion ist Spontaneität, und da sich menschliches Verhalten nach dem Tao ausrichten sollte, so sollte die Spontaneität auch ein Merkmal aller
menschlichen Handlungen sein. In Harmonie mit der Natur zu
handeln meint somit für den Taoisten, spontan und entsprechend seiner wahren Natur zu handeln. Es meint, der intuitiven
Intelligenz zu trauen, die dem menschlichen Verstand innewohnt, so wie die Gesetze des Wandels in allen Dingen um uns
herum enthalten sind.
Die Handlungen des taoistischen Weisen entstehen somit aus
seiner intuitiven Weisheit, spontan und in Harmonie mit seiner
Umgebung. Er braucht weder sich noch seine Umwelt zu zwingen, sondern paßt lediglich seine Handlungen den Bewegungen
des Tao an. Mit den Worten Huai Nan-tzus:
Die der natürlichen Ordnung folgen, fließen im Strom des Tao. 14
Diese Handlungsweise heißt in der taoistischen Philosophie
»Wu-Wei«, ein Ausdruck, der wörtlich »Nicht-Handlung« bedeutet und den Joseph Needham als »Enthaltung von gegen die
Natur gerichteten Handlungen« übersetzt. Er rechtfertigt diese
Übersetzung mit einem Zitat von Chuang-tzu:
Nicht-Handeln bedeutet nicht »nichts tun und schweigen«. Alles
soll tun dürfen, was es von Natur aus tut, so daß seine Natur zufriedengestellt wird. 15
Wenn man sich der Handlungen gegen die Natur enthält oder,
wie Needham sagt, »des Angehens gegen den Strich der Dinge«, steht man in Harmonie mit dem Tao, und die Handlungen
werden erfolgreich sein. Dies ist die Bedeutung von Lao-tzus
anscheinend so rätselhaften Worten: »Durch Nicht-Handeln
kann alles getan werden.« 16 Der Gegensatz zwischen Yin und
Yang ist nicht nur das Grundprinzip der ganzen chinesischen
Kultur, sondern wird auch von den beiden herrschenden Richtungen der chinesischen Gedankenwelt widergespiegelt. Konfuzianismus war rational, maskulin, aktiv und herrschend. Der
Taoismus andererseits betonte alles Intuitive, Feminine, Mystische und Nachgiebige. Lao-tzu sagt: »Am besten ist, nicht zu
wissen, daß man weiß«, und: »Der Weise führt seine Geschäfte
ohne Handlungen und gibt seine Lehren ohne Worte.« 17 Die
Taoisten glaubten, daß man durch Hervorkehren der weiblichen, nachgiebigen Eigenschaften der menschlichen Natur am
leichtesten ein vollkommen ausgeglichenes Leben in Harmonie
mit dem Tao führen kann. Ihr Ideal wird am besten von Chuang-tzu zusammengefaßt in seiner Beschreibung des taoistischen Paradieses:
Als es noch kein Chaos gab, hatten die Menschen der alten Zeit eine
stille Ruhe, die der ganzen Welt eigen war. Zu der Zeit waren Yin
und Yang harmonisch und still; ihre Ruhe und ihre Bewegungen
gingen ohne Störung vonstatten; die vier Jahreszeiten hatten ihre
festen Termine, nicht einem einzigen Ding geschah Unrecht, und
kein Lebewesen kam zu einem vorzeitigen Ende. Die Menschen
mögen die Fähigkeit zu wissen besessen haben, sie hatten aber keine
Gelegenheit, sie zu gebrauchen. Dies war, was man den Zustand
vollkommener Einheit nennt. Zu dieser Zeit gab es keine Handlung, sondern nur die ständige Manifestation der Spontaneität. 18
Zen 9
Als das chinesische Denken mit dem indischen Buddhismus um
das erste Jahrhundert n. Chr. in Berührung kam, fanden zwei
parallele Entwicklungen statt. Einerseits regte die Übersetzung
der buddhistischen Sutren die chinesischen Denker an und veranlaßte sie, die Lehren des indischen Buddha im Licht ihrer eigenen Philosophie zu deuten. Es entstand ein ungeheuer
fruchtbarer Gedankenaustausch, der, wie schon erwähnt, in der
Hua-Yen (Sanskrit: Avatamsaka)-Schule des Buddhismus in
China und der Kegon-Schule in Japan seinen Höhepunkt erreichte.
Andererseits ist die chinesische Mentalität auch pragmatisch
und betonte daher die praktischen Aspekte des
indischen
Buddhismus. Sie entwickelte diese zu einer speziellen Art geistiger Disziplin, die den Namen »Ch'an« erhielt, ein Wort, das
gewöhnlich mit »Meditation« übersetzt wird. Diese Ch'an-Philosophie wurde um das zwölfte Jahrhundert n. Chr. von den Japanern übernommen und unter dem Namen Zen bis in die Gegenwart hinein als lebendige Tradition kultiviert. Zen ist somit
eine einzigartige Mischung der Philosophien und Eigenheiten
dreier verschiedener Kulturen. Er ist eine typisch japanische
Lebensweise und reflektiert doch die
Weitere Kostenlose Bücher