Das Tao der Physik
die Dinge,
Angelegenheiten und Menschen des täglichen Lebens, so daß
Zen, während er die praktischen Seiten des Lebens betont,
nichtsdestoweniger tief mystisch ist. Wer ganz in der Gegenwart lebt und den täglichen Angelegenheiten seine volle Aufmerksamkeit widmet, wer Satori erreicht hat, erfährt die Wunder und Mysterien des Lebens in jeder einzelnen Handlung:
Wie wunderbar, wie geheimnisvoll!
4 Ich trage Brennholz, ich hole Wasser!
Die Vollendung des Zen besteht somit darin, das tägliche Leben natürlich und spontan zu leben. Als Po-Chang gebeten
wurde, Zen zu definieren, sagte er: »Iß, wenn du hungrig bist,
schlafe, wenn du müde bist.« Obwohl das offensichtlich und
simpel klingt, wie so vieles im Zen, ist es in Wirklichkeit eine
schwierige Aufgabe. Die Natürlichkeit unserer ursprünglichen
Natur zurückzugewinnen, erfordert langes Training und stellt
eine große geistige Leistung dar. Mit den Worten eines berühmten Zen-Spruches:
Bevor du Zen studierst, sind Berge Berge und Flüsse Flüsse; während du Zen studierst, sind Berge keine Berge mehr und Flüsse
keine Flüsse; aber wenn du einmal die Erleuchtung hast, sind Berge
wieder Berge und Flüsse wieder Flüsse.
Die Betonung im Zen von Natürlichkeit und Spontaneität wurzelt sicher im Taoismus, aber die Basis dafür ist streng buddhistisch. Es ist der Glaube an die Vollkommenheit unserer ursprünglichen Natur, die Erkenntnis, daß der Vorgang der Erleuchtung lediglich darin besteht, zu werden, was wir schon von
Anfang an waren. Als der Zen-Meister Po-Chang nach der Suche nach der Buddha-Natur gefragt wurde, antwortete er: »Das
ist, wie wenn man auf einem Ochsen reitet, um den Ochsen zu
suchen.«
Es gibt zwei Hauptrichtungen des Zen im heutigen Japan, die
sich durch ihre Lehrmethoden unterscheiden. Die Rinzai- oder
»plötzliche« Schule benutzt die Koan-Methode, die in einem
früheren Kapitel dargestellt wurde. In regelmäßigen formalen
Unterredungen mit dem Meister, die »Sanzen« heißen, werden
die Schüler aufgefordert, ihr Koan zu lösen. Die Lösung eines
Koan erfordert lange Perioden intensiver Sammlung, die zur
plötzlichen Einsicht des Satori führen. Ein erfahrener Meister
weiß, wann der Schüler an den Rand der plötzlichen Erleuchtung gekommen ist, und kann ihn oder sie durch den Schock einer unerwarteten Handlung, z. B. durch einen Stockhieb oder
einen lauten Schrei, zur Satori-Erfahrung bringen.
Die Soto- oder »allmähliche« Schule vermeidet die Schockmethoden des Rinzai und zielt auf das allmähliche Reifen des
Zen-Schülers »wie das Frühlingslüftchen, das die Blume liebkost und ihr zu blühen hilft.« 5 Sie befürwortet »ruhiges Sitzen«
und den Gebrauch der gewöhnlichen Arbeit als zwei Formen
der Meditation.
Sowohl die Soto- als auch die Rinzai-Schule legen größten
Wert auf Zazen, die sitzende Meditation, die in den Zen-Klöstern täglich viele Stunden praktiziert wird. Richtige Haltung
und richtiges Atmen ist bei dieser Art der Meditation das erste,
was jeder Zen-Schüler zu lernen hat. Im Rinzai-Zen wird Zazen benutzt, um den intuitiven Verstand auf das Koan vorzubereiten, und die Soto-Schule betrachtet es als wichtigstes Mittel
der inneren Reifung und Entwicklung zum Satori hin. Darüber
hinaus wird es als die tatsächliche Realisierung der BuddhaNatur des einzelnen gesehen. Körper und Geist werden zu einer harmonischen Einheit verschmolzen, die keine weitere
Verbesserung benötigt. Wie ein Zen-Gedicht sagt:
Während ich still sitze und nichts tue,
6 kommt der Frühling, und das Gras sprießt.
Da Zen behauptet, daß sich die Erleuchtung in alltäglichen Angelegenheiten manifestiert, hatte es einen enormen Einfluß auf
alle Aspekte der traditionellen japanischen Lebensweise.
Diese umfassen nicht nur die Künste der Malerei, der Kalligraphie, der Gartenarchitektur etc., und die verschiedenen Kunsthandwerke, sondern auch zeremonielle Handlungen wie das
Zubereiten von Tee oder das Anordnen von Blumen und die
kriegerischen Künste des Bogenschießens, Schwertfechtens
und Judo. Jede dieser Aktivitäten nennt man in Japan ein
»Do«, das ist ein Tao oder »Weg« zur Erleuchtung. Sie alle benutzen die verschiedenen Merkmale der Zen-Erfahrung und
werden gebraucht, um den Geist zu trainieren und zur letzten
Realität hinzuführen.
Ich habe schon die langsame, rituelle Handlung des cha-noyu, der japanischen Teezeremonie, erwähnt, die spontane Bewegung der Hand, die man für Kalligraphie und Malerei
braucht, und die
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