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Das Tarot der Engel: Dritter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Das Tarot der Engel: Dritter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Titel: Das Tarot der Engel: Dritter Band der Tarot-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marisa Brand
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deine Feinde dich am wenigsten vermuten – direkt vor ihren Augen«, hatte sein Dienstherr Scheyfve ihn gelehrt.
    Und tatsächlich, sie blieben ungestört. Noch immer herrschte bei Hof Jagdverbot. Turniere, Spiele, Wettritte – alle Vergnügungen waren untersagt, solange der König nicht daran teilnehmen konnte. Gewiss scharte sich der Hof auf den Korridoren, um kein Bulletin über Edwards Gesundheit zu versäumen.
    Nachts wagte sich Samuel sogar in die Gärten des Palastes. Die Bäume, Beete und Sträucher trugen reiche Frucht, und als Spitzel des spanischen Botschafters kannte er unbewachte Pforten und Dutzende Gelegenheiten, über Mauern zu steigen. Cass seufzte, diese Art von Freiheit hatte sie nie gekannt. Gott machte ihnen ein paradiesisch einfaches Leben zum Geschenk. Es würden Augenblicke vollkommenen Glücks für sie sein, aber vergänglich wie das Flimmern des Sommers.
    Forschend schob sie ihre Hand in den Ausschnitt von Samuels Hemd. Unter dem Geflecht kraftvoller Muskeln spürte sie die Schläge seines Herzens und die Verletzlichkeit seiner Haut. Alles in ihr verlangte danach, diesen Mann ganz zu entdecken, ihn mit ihrem Leib zu umfangen. Samuel drängte sie zu nichts, und dafür war sie ihm dankbar. Zögernd richtete sie sich auf, streifte ihm sacht das Hemd von den Schultern und neigte sich über ihn.
    Der schrille Schrei eines Waldfalken ließ sie zurückfahren. Ihr Blick fuhr nach oben. Hoch im Blau zog der Raubvogel seine Kreise. Ihre Begierde wich Scham und Angst. Wie so oft in den vergangenen Tagen. Ihrem Verlangen wohnten zu viele Schatten bei. Einer davon hieß de Selve.
    Würde er sie und Samuel auf immer trennen?
    Der Sprung vom Brettergerüst in Newgate war für Cass kein Sprung in die Freiheit gewesen, sondern eine Rückkehr in das Gefängnis der Zweifel.
    Samuel hatte ihr seine Geschichte erzählen können, von Canterbury und dem ungleichen Kampf auf dem Turm, als er de Selve voller Lust seinen Dolch in den Rücken gerammt hatte, von seiner Wut, als sie ihn wie einen Teufel abgewehrt hatte und vom Turm abgestürzt war. Er hatte geglaubt, dem Streit zweier Liebender zugehört und durch seine Einmischung nichts als Unheil heraufbeschworen zu haben. Als er durch die Briefe seiner Mutter erfuhr, dass Cass überlebt hatte, war er erleichtert gewesen. Dankbar. Doch die Freude war unterströmt gewesen von dem hässlichen Verdacht, Cass habe sich in das Haus seiner Eltern geschlichen, um ihr Glück zu machen. Ihm waren Zweifel gekommen, ob de Selve von ihr nicht auf die gleiche Weise hintergangen und benutzt worden war.
    Nun wussten beide, dass de Selve Cass vom Turm hatte stürzen wollen, weil sie ein Kind von ihm erwartete. Samuel bereute inzwischen, dass sein hochmütiger Wunsch, als Soldat Christi die ganze Menschheit zu retten, ihn blind gemacht hatte für die Nöte der Menschen, die ihm nah waren: seine Mutter, sein Vater und – so sagte er – von Anfang an auch sie. Cass. Tief in sich, das spürte Cass, trug er einen unbesiegbaren Sommer, weil er in einem Haus beständiger Liebe aufgewachsen war. Anders als sie. Zögernd legt sie wieder ihre Hand auf seine Brust, sank zurück ins Gras.
    Warum wagte sie nicht, ihrem Verlangen zu trauen? De Selve war nicht der einzige Grund. Enochs Gesicht tauchte vor ihr auf. Der Ausdruck reiner Güte darin und das absolute Grauen, das sich dahinter verbarg. Wohnte tief in ihr ein ähnlicher Teufel? Vergeblich hatte sie sich bemüht, diesem Dämon das Gesicht de Selves aufzumalen, ihm Lord Dudleys Züge zu verleihen, in dessen Haus sie aufgewachsen war, oder das ausgezehrte Gesicht Edwards, dem sie so nah gewesen war. Aber keins der Gesichter, die sie in den vergangenen Wochen und Tagen nach und nach in sich entdeckt hatte, passte. Keins erschloss ihr den Grund ihrer tief sitzenden Furcht, und es blieb das bittere Gefühl, dass sie Samuel unendlich fern war.
    Cass zuckte, als er plötzlich nach ihrer Hand auf seiner Brust tastete. Er schlug die Augen auf und drehte ihr das Gesicht zu. »Was ist dir?«
    »Nichts«, begann Cass, als sie von einem Blick getroffen wurde, der wie eine Mahnung an sie war, ihre Gefühle nie mehr zu leugnen.
    »Ich habe Angst, Samuel.«
    »Ich weiß.« Er zog sie fester an sich.
    »Wir können nicht immer hierbleiben.«
    »Noch heute Nacht werden wir von hier fortgehen«, sagte er und küsste ihr Haar.
    Cass rückte von ihm ab. »Du hast Pläne gemacht?«, fragte sie, schwankend zwischen Freude und Enttäuschung darüber, dass er

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